Erst als der Demonstrationszug schon eine Stunde unterwegs war verließen die letzten Personen den Ort der Startkundegbung, den Alexanderplatz. Sprechchöre wie „Stop the Genocide“, „Viva Palästina“ und „das ist kein Krieg, das ist ein Genozid“ füllten Berlins Straßen. Banner und Schilder forderten: „Save Gaza“ und „one genocide does not justify another“.
Klare Forderungen des Aufrufs
Der Protest setzte sich von Anfang an das Ziel, unter dem Motto „All Eyes on Gaza“ eine breite Masse auf die Straße zu bringen. Die Forderungen waren klar. So hieß es im Aufruf: „Wir wollen die deutsche Komplizenschaft beenden und gegen die sogenannte Staatsräson auf die Straße gehen! Wir fordern von der Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag:
- Beenden Sie jegliche militärische Kooperation mit Israel. Dazu gehören Import, Export und Transit von Waffen, Munition und anderen Rüstungsgütern.
- Nutzen Sie alle zur Verfügung stehenden Mittel, um den ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe nach den anerkannten humanitären Prinzipien sowie einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand für Gaza zu erreichen.
- Setzen Sie sich für ein Ende der seit Jahrzehnten andauernden Vertreibung und der illegalen Besatzung des palästinensischen Gebiets ein.
- Unterstützen Sie die internationale Gerichtsbarkeit ohne Einschränkungen und setzen Sie ihre Entscheidungen vollständig um.
- Setzen Sie sich für die Freilassung aller Opfer von Kriegsverbrechen ein, die sich als illegal Inhaftierte zu Tausenden in israelischen Gefängnissen und zu Dutzenden in Geiselhaft in Gaza befinden.
- Setzen sie sich für die Verwirklichung des Rechts auf individuelle und kollektive Selbstbestimmung und Gleichberechtigung der Palästinenser:innen ein.
- Schützen Sie die Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Wissenschaftsfreiheit in Deutschland. Beenden Sie die Unterdrückung legitimer Proteste und freier Meinungsäußerung der Palästina-solidarischen Bewegung.“

Ein großer Kreis mobilisierte
Vor wenigen Monaten wurde der Aufruf zur Kundgebung zunächst von einem kleinen Initiatorenkreis verbreitet. Als veranstaltende Organisationen traten zudem die Palästinensiche Gemeinde Deutschland, eye4palestine, Amnesty International Deutschland und medico international auf. Dies hatte Erfolg: Hunderte Personen und Organisationen unterzeichneten den Aufruf. In dem Vorhaben, ein möglichst breites Bündnis zu schaffen, das auch Akteure umfassen sollte, die bisher nur zögerlich zu pro-palästinensischen Protesten mobilisiert hatten, bemühte sich der Aufruf auch, verbreitete Vorurteile aus dem Weg zu räumen: „Wir verurteilen alle Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen, unabhängig davon, ob sie von israelischen oder palästinensischen Akteur:innen begangen werden.“ Der Kreis der Aufrufenden wurde unter dem Motto „Zusammen für Gaza“ noch breiter, dieser organisierte zudem eine Demonstration zum Kundgebungsort: Die vollständige Liste umfasst Namen aus der palästinensischen Community wie Jules El-Khatib (Hochschuldozent) und Amal Hamad (Vorsitzende Deutsch-Palästinensischer Frauenverein), aber auch Politiker wie Özlem Demirel (MdEP, Die Linke Düsseldorf) und Ines Schwerdtner (Parteivorsitzende, Die Linke) und Personen wie Deborah Feldman (Schriftstellerin) und Marcus Staiger (Journalist und Autor) und Yusuf As (Vorsitzender des Bundesmigrationsausschusses von ver.di). Zudem spielten bei der Kundgebung Künstler wie K.I.Z, Pashanim; PTK und OG LU.

Protestierende schöpfen Hoffnung
Die Größe der Demo überwältigte auch die Teilnehmer selbst. In Gesprächen wurde klar, dass die Situation in Gaza nicht mehr mit anzusehen ist. So sagt eine Mutter mit Kind: „Wenn ich von dem Leid der Kinder und ihrer Mütter in Gaza lese, dann könnte ich wirklich nur noch heulen. Deswegen bin ich hier, um wenigstens irgendwas zu tun.“
Auch Frustration darüber, dass die Proteste in Deutschland bisher noch nicht so groß sind, ist zu spüren: „Wir sind aus dem Süden hierhergefahren,“ erzählt uns eine Teilnehmerin. „Bei uns gibt es keine Demos, ich habe das Gefühl, die Deutschen haben kein Rückgrat.“ Doch für alle scheint sich der Protest wie ein Hoffnungsschimmer anzufühlen. Eine junge Frau sagt uns: „Es ist sehr gut zu sehen, dass die Bewegung wächst.“ Ein älterer Herr sagt uns: „Hoffentlich wird diese Demo hier ein klares Signal, Deutschland verliert ja das Ansehen in der Welt.“ Dass die Partei Die Linke mit zu der Demonstration aufrief und sichtbar und zahlreich teilnahm wurde von vielen Teilnehmern als gutes Signal wahrgenommen, dass nun die Forderung nach einem Stopp der Waffenlieferungen an Israel endlich mehr Anklang findet.

Viel wird sich auf die großen Proteste in Italien mit 700.000 Teilnehmern als Vorbild bezogen. Auch die Massenproteste in Frankreich sind ein Vorbild für die Teilnehmer, viele wünschen sich auch größere und breitere Proteste gegen Völkermord und Krieg hier in Deutschland. Die Teilnehmer äußerten in Gesprächen, dass sie immer noch darauf hoffen, die deutsche Regierung wird ihre Unterstützung für den Völkermord beenden wird. Einig sind sich alle: Es braucht noch mehr Druck von unten.
Eine so große Demo gegen den Völkermord wie heute, gab es in den letzten zwei Jahren nicht. Hier kamen Jugendliche und ältere Menschen, Familien und verschiedenste Organisationen zusammen und zogen lautstark und entschlossen durch die Straßen. Viele Reden der Organisatoren gingen dabei auch über den Protest gegen den Völkermord hinaus und zu einem grundlegenden Widerspruch gegen die imperialistische Logik von Kriegen und die kapitalistischen Interessen der Konzerne und besonders der Waffenindustrie über. Diese Demo zeigt, dass mehr Kampfbereitschaft da ist als bis jetzt erwartet. Jetzt geht es darum, nicht innezuhalten und den Protest weiterzutragen, um den Druck zu erhöhen – für ein Ende des Völkermords und Freiheit für Palästina!