Arbeiten wir bald alle für den Krieg?

Ob durch die neuen Wehrpflicht bald in der Kaserne und an der Front oder in Produktionshalle und Krankenhaus: Es wird immer unmöglicher, sich den Kriegsvorbereitungen des deutschen Staates zu entziehen.

Es geht schnell: 2022 wurde das 100 Mrd. Euro Sondervermögen für die Bundeswehr aufgelegt. Es folgte das 500 Mrd. schwere Infrastruktur-Sondervermögen, das vor allem für militärisch wichtige Infrastruktur vorgesehen ist. Hinzu kommt der seit März unbegrenzte Rüstungshaushalt. Doch all das Geld nützt nichts, wenn die Gesellschaft und die Wirtschaft nicht für den Krieg organisiert und aufgestellt sind. Dafür wird auf Hochtouren gearbeitet.

Das Beispiel Rheinmetall

Ein sehr guter Gradmesser für das Tempo der Militarisierung ist der Rüstungskonzern Rheinmetall. Das Manager Magazin (MM) brachte im September 2025 einen Bericht über den CEO des Konzerns, Armin Papperger: „Der Panzer“, wurde er da auf der Titelseite genannt. Darunter: „Wie Armin Papperger Rheinmetall rockt und Europa aufrüstet“. Der Artikel zeichnet den rasanten Aufstieg von Rheinmetall in den letzten Jahren nach: „Manchem Verteidigungsminister soll der öffentliche Umgang mit Waffenproduzenten wie Rheinmetall so unangenehm gewesen sein, dass sie nicht einmal mit dem Vorstandschef auf dasselbe Foto wollten. Das scheint lange her – Armin Papperger ist die personifizierte Zeitenwende. Heute wird der Mann hofiert, wo immer er sich blicken lässt.“ Bis vor einigen Jahren habe Rheinmetall sich vor allem als Automobil-Zulieferer ausgegeben, doch mittlerweile wurden alle Hüllen fallengelassen, denn Rüstung ist wieder in. Das MM resümiert: „Die Jahre der Camouflage hatten für ihn wohl auch ihr Gutes. Gefragt waren Durchhaltevermögen und diplomatisches Geschick. Eigenschaften, die Papperger jetzt gut gebrauchen kann.“

Von dem 100-Milliarden-Sondervermögen der Scholz-Regierung gingen allein 42 Milliarden an den Konzern – und der Boom hält an. Im ersten Halbjahr 2025 ist der Umsatz um 24 % im Vergleich zum Vorjahr gewachsen. Bis 2030 soll der Umsatz auf 40 bis 50 Milliarden Euro steigen, was eine Verzehnfachung zur Zeit vor dem Ukraine-Krieg wäre. Als größter deutscher Rüstungskonzern ist Rheinmetall für die Kriegsvorbereitungen Deutschlands von strategischer Bedeutung, was sich auch an den zahlreichen anstehenden Projekten zeigt:

Der Standort Unterlüß in Niedersachsen soll zur größten Munitionsfabrik Europas, „wenn nicht gar der Welt“ werden, so Papperger. Dieses Jahr sollen 25.000 Schuss gefertigt werden, 2027 sollen es schon 350.000 sein. Vor wenigen Monaten wurde zudem bekannt, dass Rheinmetall zahlreiche Werften der Lürssen-Gruppe übernehmen wird und damit ins Marine-Geschäft einsteigt. Zwar werden bereits heute in einigen der Werften Kriegsschiffe produziert, doch die Übernahme durch Rheinmetall bringt neben einem neuen, kapitalstarken Investor auch einen weiteren entscheidenden Vorteil mit sich, der das offizielle Ziel der „Kriegstüchtigkeit“ befördern würde: Die Zentralisierung der Rüstungsproduktion bei einigen wenigen, großen Unternehmen, die eng mit dem Staat verwoben ist, ermöglichen eine maximal effiziente und steuerbare Kriegsproduktion, die so präzise wie möglich an die Bedürfnisse des deutschen Staates angepasst ist. Auch der Einstieg des Bundes bei der Meyer-Werft im Jahr 2024, offiziell eine „Rettung“, dient diesem Ziel. Rheinmetall kauft auch Produktionsstandorte z.B. von der niedergehenden Automobilindustrie auf oder stellt eigene Fabriken wie eine Fabrik von Tochter Pierburg in Berlin auf Rüstungsproduktion um.

Rheinmetall ist dabei bei weitem nicht das einzige Rüstungsunternehmen, das aufsteigt: Hensoldt, Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS), Diehl Defence, Krauss-Maffei Wegmann (KMW), MBDA Deutschland, Heckler & Koch, Airbus Defence und viele weitere machen Profit mit der Zeitenwende und bauen aus.

Bringt die Rüstung Jobs?

Für Arbeitssuchende in der Industrie ist es schon heute Realität, dass Jobs mit gutem Gehalt und langfristiger Perspektive vor allem bei Rüstungsunternehmen zu finden sind. Doch auch diejenigen, die heute im zivilen Bereich arbeiten, können kaum sicher sein, dass das so bleibt:

Für die seit Jahren krisenbelastete deutsche Industrie wird die Rüstung als Ausweg angepriesen: VW und Porsche sind bereit, auf Rüstungsproduktion umzusteigen. Viele Zulieferer bieten sich für die Rüstungsproduktion an. Der Nordhäuser Landrat Matthias Jendricke (SPD) bietet ein ganzes Areal als Standort für den Panzerbau an, weil er sich nicht vom Rüstungsboom „abkoppeln“ will. Laut Branchenverband Automotive Thüringen sind drei Viertel der Mitgliedsunternehmen offen für eine Zusammenarbeit mit Rüstungsfirmen. Der Cyber Innovation Hub der Bundeswehr (CIHBW) ist nach Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr, dazu da: „(Er) bringt uns auf die Überholspur, wenn es um das Ausloten technischer Möglichkeiten und den Austausch mit meist zivilen Unternehmen vom Start-up bis zum Großkonzern geht.“ Beispiele für diese Umstellung auf Rüstungsproduktion sind unter anderem die Übernahme der MV-Werftengruppe durch TKMS oder der FSG durch die Heinrich Rönner Gruppe. KNDS, Panzerbau, übernimmt eine ehemalige Waggonfabrik in Görlitz, allerdings mit weniger Beschäftigten. Kollegen, die bei Werksschließungen von Continental ihre Jobs verlieren, sollen bei Hensoldt und Rheinmetall unterkommen.

Dies ist auch ein Hauptargument, warum die Aufrüstung auch den Arbeitern als Gewinn verkauft wird – schließlich würde sie Jobs bringen. Der besagte Rheinmetall-CEO, Papperger, gleichzeitig Präsident des „Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ (BDSV), sagte dem Handelsblatt, er gehe davon aus, „dass in Deutschland 500.000 bis 600.000 Jobs im Sicherheitsbereich künftig entstehen könnten“. Diese Zahlen dürften verlockend klingen in einer Wirtschaft, in der Entlassungswellen und schlechte Gehälter eine immer größere Bedrohung werden. Doch schauen wir genauer hin: Jahrelang wurde in den Gewerkschaften Rüstungskonversion, also die Umstellung von Rüstungsproduktion auf zivile Produktion propagiert. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass bei gleich hohen Investitionen und Umsatz in der zivilen Produktion mindestens doppelt so viele Arbeitsplätze entstehen. Das Argument „Rüstung schafft Arbeitsplätze“ ist daher falsch. Faktisch werden mit der Umstellung auf Rüstung Arbeitsplätze vernichtet, weil insgesamt weniger benötigt werden. Doch selbst wenn kurzfristig Jobs in der Rüstungsindustrie auf den ersten Blick wie ein Vorteil wirken und darum teils sogar von den Gewerkschaften unkritisch als „Gewinn“ für die Beschäftigten behandelt werden, muss ein Blick auf das große Ganze geworfen werden. Die Debatte um Rüstungskonversion lässt es teilweise scheinen, als sei es eine moralische Entscheidung der Konzerne, was denn produziert wird, bei der man sich gemeinsam darauf einigen könnte, dass eine zivile Produktion besser als eine militärische sei. Doch der Grund, dass die militärische Produktion in den letzten Jahrzehnten weniger präsent war, war nicht der „Konsens“ zwischen Arbeitern und Konzernen über die gesellschaftlichen Prioritäten, sondern die Tatsache, dass Deutschland sich nicht wie heute darauf vorbereitet hat, auf der Weltbühne auch militärisch wieder zu einer „Führungsmacht“ zu werden, die in der Lage ist, Kriege zu führen und zu gewinnen. Heute, und das sehen wir gerade in Echtzeit, wo der deutsche Imperialismus an neuer Stärke gewinnen möchte, um sich in den zahlreichen Konfrontationen, wenn nötig auch militärisch, ein Stück vom Kuchen zu sichern, ist auch die Konversions-Frage geklärt oder wird höchstens andersherum diskutiert. Denn der deutsche Imperialismus will kriegstüchtig werden – und unterwirft jeden Bereich des Wirtschaftslebens diesen Zielen. Die Profite und der Boom der Rüstungsindustrie ist also nicht die Ursache für die Aufrüstung, sondern die Folge. Wir kommen also nicht darum herum, in der Diskussion um die Aufrüstung in den Betrieben in die politische Auseinandersetzung darum zu gehen, ob der deutsche Imperialismus und seine Kriege in unserem Interesse sind – und ob wir uns damit, selbst wenn es kurzfristig einen sicheren Arbeitsplatz bedeutet, nicht langfristig unser eigenes Grab schaufeln.

Das Kapital reibt sich die Hände

Während die Arbeiterklasse im Spiel von Krieg und Rüstung langfristig nur verlieren kann, kann die Kriegsindustrie nur gewinnen. Rüstung bringt in der Regel höhere Profite als zivile Produktion. Es bestehen monopolistische Strukturen. Es werden nicht wie beim Autobau hunderte verschiedene Modelle von Kampfpanzern hergestellt, sondern ein Kampfpanzer mit verschiedenen Ausrüstungen, aber in der Grundstruktur gleich. Es gibt auch keinen „Markt“, wo man um Käufer kämpfen muss, sondern einen Käufer: den Staat. Da kann man höhere Profite erzielen, als wenn man bei vielen verschiedenen internationalen Automarken im Konkurrenzkampf bestehen muss. Es gibt starke staatliche Regulierungen, nur der Staat tritt als Auftraggeber und Konsument auf und Konkurrenz ist weitgehend ausgeschaltet. Das erst im Juli beschlossene „Gesetz zur beschleunigten Beschaffung bei der Bundeswehr“ leistet einen weiteren, entscheidenden Beitrag zu dieser Situation: bei der Beschaffung von Kriegsgerät soll die nationale Rüstungsindustrie bevorzugt und damit strategisch gestärkt werden. Damit sind dem willkürlichen Preiswucher von Rheinmetall und Co. Tür und Tor geöffnet. Es ist eine „Planwirtschaft“ im Kapitalismus, die dem Kapital hohe Profite garantiert. Für das Kapital ein Traum: Kein Risiko durch mangelnden Absatz oder durch starke Konkurrenz, die Gesellschaft zahlt und trägt alle Kosten und Risiken. Nur der Profit bleibt privat und kann sogar noch über die üblichen Industriemargen hinaus erhöht werden.

Wie sehr das deutsche Kapital heute auf diese Profite aus dem Rüstungsgeschäft aus ist, sehen wir an den Stimmen ihrer Vertreter. Das Handelsblatt formuliert es pragmatisch: „In ganz Europa boomt die Rüstung und mit ihr die Hoffnung auf wirtschaftliches Wachstum“, titeln sie begeistert. „Doch der Boom birgt auch Risiken – nicht zuletzt, weil Waffen Menschen töten.“ Dieses kleine Manko scheint jedoch verkraftbar, wenn die Gewinne rufen. So organisierte das Handelsblatt im September die Tagung „Wirtschaftsfaktor Rüstung“, wo Vertreter aus Politik und Wirtschaft zusammenkamen, um das „olivgrüne Wirtschaftswunder“ zu planen. Im Januar folgt direkt die nächste Konferenz „Sicherheit und Verteidigung“. Zu diskutieren sei unter anderem: „Welchen Beitrag kann die (bisher) zivile Industrie leisten?“

Es ist eine Industrie, die allein von Zerstörung und Leid profitiert, an die das Schicksal der Beschäftigten da gekettet wird. Im Gegensatz zur zivilen Produktion, wo Nachfrage dadurch entsteht, dass Menschen Produkte gebrauchen, zum Beispiel weil sie satt werden und sich neue Kleidung kaufen, weil der Verkehr ausgebaut oder eine neue Schule gebaut werden, entsteht die Nachfrage in der Rüstungsindustrie durch den Abschuss einer Rakete, die Zerstörung eines Panzers oder das Feuern eines Schusses, die für Nachschubbedarf sorgen. Wer die größte Munitionsfabrik Europas, „wenn nicht gar der Welt“, baut, der erwartet nicht, einmal die Arsenale der NATO-Staaten zu füllen und seine Fabrik dann wieder abzubauen. Der erwartet und beabsichtigt, dass nicht nur die Anzahl der produzierten Geschosse jedes Jahr steigt, sondern auch die Anzahl der verschossenen. Oder richtiger: Damit die Zahl der produzierten Geschosse von Jahr zu Jahr weiter steigen kann, erwartet und beabsichtigt so jemand auch eine von Jahr zu Jahr steigende Anzahl verschossener Geschosse. 

Von Krankenhaus bis Uni

Es sind auch viele andere Bereiche, in denen die Aufrüstung sich bemerkbar macht. Ein Beispiel dafür ist der Operationsplan Deutschland, ein geheimer Plan der Bundeswehr, der die Bereitschaft Deutschlands für den Krieg steigern soll. Der Plan sieht eine enge Zusammenarbeit zwischen Bundeswehr und zivilen Einrichtungen vor, was auch immer mehr ausgeweitet wird, wie man in zahlreichen Übungsmanövern der Bundeswehr sieht, in die auch Krankenhäuser, das Technische Hilfswerk und viele weitere eingebunden sind. Krankenhäuser sind natürlich ein besonders wichtiges Gebiet: Im sogenannten „Grünbuch Zivil-Militärische Zusammenarbeit“ (ZMZ), in dem ein Krieg an der NATO-Ostflanke durchgespielt wird, spielen auch die Krankenhäuser eine wichtige Rolle. Das Buch wird vom Thinktank „Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit“ herausgegeben, worin auch Sicherheitsfirmen und Ministerien sitzen. Zahlreiche Bundeswehrvertreter waren beteiligt. Im Kriegsfall wird davon ausgegangen, bis zu 1.000 Soldaten täglich versorgen zu müssen. Da die dadurch entstehende „Einschränkung des Versorgungsniveaus“ oder das Sinken der „Qualität der medizinischen Versorgung“ für die Zivilbevölkerung wohl keinen Jubel herbeiführen würden, sollen laut dem Grünbuch entsprechende „Kommunikationsstrategien“ ausgearbeitet werden. Krankenhäuser werden wohl in Zukunft häufiger in Übungen der Bundeswehr eingeplant – dass im Ernstfall auch die Bundeswehr das Kommando über die medizinische Versorgung übernehmen würde, ist dabei eingepreist.

Auch die Universitäten und Forschungsinstitute sind nicht ausgenommen. Schon heute wird an zahlreichen Universitäten im Land an Kriegstechnologien geforscht – teils auch, indem bestehende Zivilklauseln, also Selbstverpflichtungen zu zivilen Zwecken, gebrochen werden. So zuletzt in Hamburg, wo entgegen der Zivilklausel mit dem französischen Rüstungsunternehmen Thales an Chips geforscht wurde, die besonders sensibel sind. Thales stellt Drohnen her, unter anderem solche, die an Israel in seinem Krieg gegen Gaza und den Iran geliefert werden. Schon heute sind also Studierende und Forschende Teil der Kriegsmaschinerie, und sie sollen es noch mehr werden: In Bayern werden die Universitäten bereits verpflichtet, mit der Bundeswehr zusammenzuarbeiten, und Zivilklauseln im ganzen Land stehen unter Beschuss.

Dass im Ernstfall so ziemlich alle Bereiche des Lebens dem Krieg unterworfen werden, wird besonders durch das „Arbeitssicherstellungsgesetzes“ deutlich. Dieses ermöglicht es, im Kriegsfall Arbeiter in wichtigen Branchen zur Arbeit zu zwingen, die Kündigung zu verunmöglichen und auch Arbeitskampf zu untersagen. Denn wenn es hart auf hart kommt, darf es keine Zweifler und auch keine Verweigerer mehr geben. Das ganze Land wird auf Kriegstüchtigkeit eingeschworen – es gibt kaum noch Branchen, die komplett unberührt von der Aufrüstung sind. Immer mehr Beschäftigte werden in die Kriegswirtschaft einbezogen. Doch all das birgt auch eine neue Möglichkeit: Es sind nicht nur die Soldaten, die im Kriegsfall verweigern können – es sind auch die Beschäftigten in der Produktion, diejenigen, die die Waffen ausliefern oder die an kritischen Stellen sitzen. Somit gibt es auch die Gelegenheit, die Entwicklung umzudrehen und zu einer Möglichkeit für immer breiteren Widerstand zu machen!