Die Zivilklausel an Bremer Hochschulen – bombensicher?

An der Uni Bremen zeigt sich seit Jahren, wie einfach Zivilklauseln umgangen werden können - und das schon lange vor der Zeitenwende. Die Zukunft sieht nicht besser aus.

Des Öfteren rühmt sich die Universität Bremen als Bollwerk für den Frieden, da sie bereits seit Jahrzehnten eine Zivilklausel hat. Diese besagt, dass jede Beteiligung an Wissenschaft und Forschung mit militärischer Nutzung oder Zielsetzung abgelehnt wird. Jahre danach verpflichteten sich durch das Bremer Hochschulgesetz auch die Bremer Hochschulen durch die Einführung jener Zivilklausel. So auf den ersten Blick. Doch was genau ist die Zivilklausel eigentlich und an was müssen sich die Hochschulen dabei überhaupt halten?

Was ist die Zivilklausel?

Entgegen vielen Behauptungen ist die Zivilklausel kein Verbot von militärischer Forschung an Hochschulen, sondern eine interne Selbstverpflichtung dieser Institutionen. Diese besagt, dass an den Hochschulen ausschließlich für zivile Zwecke geforscht werden soll. Im Jahre 1986 trat die erste Zivilklausel Deutschlands an der Universität Bremen in Kraft, nachdem der Akademische Senat „alle Mitglieder der Uni auffordert, Forschungsthemen und -Mittel, die zu Rüstungszwecken dienen können, abzulehnen“. Das Fundament dafür bildete das erste Selbstverständnis der Universität aus dem Jahre 1971, in dem geschrieben stand: „Die Stellung der Universität in der Gesellschaft als Stätte kritischer Bewußtseinsbildung gegenüber gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Prozessen, als Stätte wechselseitiger Beeinflussung aller gesellschaftlichen Gruppen, als Zentrum geistiger Ausstrahlung auf alle Bildungsbemühungen.“.

Mit diesem vorerst fortschrittlichen Anspruch implizierte die Universität, als Ort für kritische Lehre, Forschung für den Frieden und gesellschaftlichen Fortschritt zu dienen. Nachdem die Bremer Universität die Zivilklausel 1986 einführte, folgten ihr bis zum heutigen Tage ca. 70 weitere. Sieht man sich das aber genauer an, wurde im Bremer Hochschulgesetz in §4 niedergeschrieben: „Die Hochschulen dienen entsprechend ihrer Aufgabenstellung im Zusammenwirken aller ihrer Mitglieder der Pflege und der Entwicklung der Wissenschaften und der Künste durch Forschung, Lehre, Weiterbildung und Studium im Bewusstsein ihrer Verantwortung vor der Gesellschaft in einem freiheitlichen demokratischen und sozialen Rechtsstaat. Die Hochschulen verfolgen in Forschung, Lehre und Studium ausschließlich friedliche Zwecke. Die den Hochschulen vom Land und von Dritten zur Verfügung gestellten Mittel sollen ausschließlich für Vorhaben verwendet werden, die diesen Zwecken dienen. (…)“

Aha, „sollen“. Da liegt also der Hase im Pfeffer. Die Zivilklausel ist demnach nur eine Selbstverpflichtung, quasi eine ethische Anforderung – und damit an keinerlei Gesetze oder gar Konsequenzen, wenn sie nicht eingehalten wird, gebunden. Unter dem Deckmantel der „Wissenschaftsfreiheit“ kann ihr der Schleier schnell abgenommen werden, wenn es für die deutsche Kriegstüchtigkeit notwendig wird. Exemplarisch dazu sagt Frank Imhoff (CDU Bremen) ganz schonungslos und ehrlich: „Die Zivilklausel ist ein Relikt vergangener Zeiten und gehört abgeschafft“. Ganz so wie es die Rüstungsindustrie wünscht.

Die Zivilklausel ist kein Verbot für militärische Forschung

Oft ist von „Dual-Use“ die Rede, was bedeutet, dass für zivile Zwecke geforscht wird, die Ergebnisse aber auch für militärische Vorhaben missbraucht werden können und auch oftmals missbraucht werden. Beispielsweise arbeitet die Universität Bremen mit dem Unternehmen OHB-Technology zusammen, welches Raumfahrtsysteme entwickelt und bestimmte Komponenten dafür baut. Diese Technologien können aber insbesondere militärischen Zwecken dienen. Und das ist auch der Fall. Die „OHB unterhält seit Jahren Geschäftsbeziehungen mit der Bundeswehr. Mit dem System SAR-Lupe hat OHB den deutschen Streitkräften 2007 das erste eigene satellitengestützte Aufklärungssystem geliefert. Seit Mitte 2013 arbeitet die OHB System AG an der Realisierung des SAR-Lupe-Nachfolgesystems SARah“. Dazu hat OHB auf Grundlage des CarbonSat- Konzepts der Uni 2020 den CO2 Forschungssatteliten CO2M gebaut. Die SARah Spionage-Satelliten welche ursprünglich 2017 fertiggestellt werden sollten, wurden zwei Jahre nach Umsetzungsbeginn des CarbonSat- Konzepts, also 2022 abgeschlossen. Ob OHB die Forschungserkenntnisse der Uni für die Spionagesateliten genutzt hat, bleibt offen, liegt aber nahe. Denn warum sollten sie diese Kenntnisse nicht nutzen, die für die Spionage-Satelliten äußerst wichtig wären, mit denen sie wieder massig Geld scheffeln könnten? Deutlich offenere Verstöße gegen die Zivilklausel sind allerdings im Jahre 2013 aufgekommen. Die Uni Bremen offenbarte, größtenteils durch eigene Ermittlungen, die Mitarbeit an mindestens zwei Dutzend Rüstungsprojekten. Unter den prominenten Geldgebern befanden sich unter anderem Rheinmetall und sogar das Pentagon, welches ein Meteroritenforschungsprojekt finanzierte. Dabei erhielten diese Projekte (das Pentagon Projekt ausgenommen) insgesamt eine Förderung von rund 480.000 Euro. Dabei gibt Rheinmetall die meisten Aufträge ab, welche sich überwiegend im Bereich von Nachrichtentechnik und Datenübertragung befinden. Airbus und Atlas Elektronik waren ebenso in der Rüstungsforschung involviert.

Was passiert bei Verstößen gegen die Zivilklausel?

Im Falle von solchen Verstößen gegen die Zivilklausel besteht die Frage, ob nicht rechtliche Konsequenzen zu erwarten wären. Dabei ist aber zu bedenken, dass es sich bei der Zivilklausel nur um einen Aufruf handelt, welcher ohne Konsequenzen gebrochen werden kann. Wenn ein Forschungsteam oder ein Institut der Uni Bremen ein Angebot der militärischen Forschung bekommt, kann es dies jederzeit annehmen und muss höchstens mit vermeintlich moralischen Bedenken rechnen, jedoch nicht aber mit rechtlichen Konsequenzen. Zwar ist die Zivilklausel seit 2015 im Bremer Hochschulgesetz verankert, an der Bremer Hochschule wurde 2016 dennoch mit der Bundeswehr kooperiert und ein Teil der Grundlagenausbildung für Verwaltungsangestellte übernommen. Die Begründung der Partei „Die Linke“, warum sie das nicht vehement ablehnte, war, dass die Bundeswehr eine reine Verteidigungsarmee und daher für die Friedensicherung notwendig sei. Mit dieser Argumentation kann sich die Politik jegliche Rüstungsforschung als zivilklauselkonform zurechtlegen. Schließlich sind Militärsatelliten, Panzer und Marschflugkörper angeblich auch nur zu “Friedenssicherung” da. Mit diesen frechen Lügen zeigt uns die Politik allerdings nur, warum sie die Zivilklausel nicht einhält: Weil Profit und Deutschlands imperialistische Interessen vor Forschung für Frieden stehen. Weil für das Kapital und dessen Profitmaximierung zur Not gemordet werden muss und weil wir dafür unseren Kopf hinhalten müssen: Ob in der Forschung, der Wehrpflicht oder in der Industrie. Um dem Kriegskurs des deutschen Kapitals entgegenzutreten, braucht es eine breite Front der Gesellschaft gegen Sozialabbau und Aufrüstung. Die Militarisierung der Universität betrifft nämlich nicht nur Studenten, sondern auch Arbeiter, denn im Rahmen der Kriegsvorbereitung werden demokratische Rechte und der Sozialstaat massiv angegriffen. Besonders deutlich wird das am Arbeitsplatz. Mit Sicherheitsüberprüfungen, Bekämpfung progressiver Stimmen durch Kündigungen und Berufsverbote, Einschränkung des Streikrechts sowie Umwälzung von ziviler- in Rüstungsproduktion wird sich auf den Krieg vorbereitet, die Rechte der Arbeiter aber werden immer weiter mit Füßen getreten. Dagegen müssen wir uns in den Universitäten und Betrieben organisieren. Forschung und Produktion im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung, die tatsächlichen Fortschritt bringt, kann es nur im Sozialismus geben!

„Im Sozialismus wird die Wissenschaft dem Menschen dienen, nicht die Menschen der Wissenschaft“

-Berthold Brecht, Notizen zur sozialistischen Erziehung (1948)