Es soll ein neuer Anlauf zur Vergesellschaftung der großen Berliner Wohnungsunternehmen genommen werden. Die Geschichte des Kampfes der Initiative sagt nicht nur viel über die Berliner Regierung, sondern auch über die Logik des Kapitalismus als Ganzes.
Was bisher geschah…
Ziel des 2018 entstandenen Bündnisses Deutsche Wohnen & Co enteignen ist ein Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Die Wahl wurde (nachdem die nötigen Unterschriften zuvor weit überschritten worden waren) am 26. September 2021 abgehalten und 59,1 Prozent der wahlberechtigten Berliner stimmten für die Vergesellschaftung. Am selben Tag fand auch die Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin statt, aus der eine Regierung aus SPD, Grünen und Linkspartei hervorging. Obwohl sich eine sehr deutliche Mehrheit der Wähler für die Vergesellschaftung aussprach, unternahm die neue Berliner Regierung nichts, um den Volksentscheid umzusetzen. Statt ein entsprechendes Gesetz zu erlassen und zu vollziehen, folgte auf eine Aktion zur Verschleppung und Verzögerung die nächste. Lediglich eine Expertenkommission wurde ins Leben gerufen, die erst einmal die Möglichkeit der Umsetzung einer Vergesellschaftung prüfen sollte. Dass die Kommission im Juni 2023 zu einem positiven Schluss kam, änderte nichts an der Blockade der mittlerweile aus CDU und SPD bestehenden Berliner Regierung. Daher entschied sich Deutsche Wohnen & Co enteignen, selbst einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, welcher nun vorliegt und über den im kommenden Jahr erneut per Volksentscheid abgestimmt werden soll. Im Unterschied zum ersten Volksentschied soll das Gesetz bei Erreichen der Mehrheit der Stimmen sofort gültig sein.
Worum geht es bei dem Gesetz?
Das Gesetz sieht vor, dass Wohnungen von privaten Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin vergesellschaftet werden. Die Konzerne sollen jeweils 3.000 Wohnungen behalten können, vergesellschaftet wird also nur die Anzahl der Wohnungen, die über diesem Betrag liegen. Die Initiative geht davon aus, dass so 200.000 bis 220.000 Wohnungen von ca. zehn Unternehmen in eine neu zu errichtende Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) überführt werden können. Sie errechnet für Berlin einen zusätzlichen Bedarf von derzeit ca. 590.000 bezahlbaren Wohnungen. Dieser ergibt sich aus der Differenz von 1,167 Millionen Haushalten mit Anspruch auf eine Sozialwohnung und einem Bestand von 577.000 als bezahlbar angesehenen Wohnungen (Sozialwohnungen, Wohnungen der landeseigenen Unternehmen und Genossenschaftswohnungen). Zumindest für die niedrigste Einkommensgruppe der Sozialwohnungsberechtigten könne durch die Vergesellschaftung laut der Initiative ein wesentlicher Teil des Bedarfs gedeckt werden. Klar ist aber: Auch nach der Vergesellschaftung würde somit immer noch ca. 370.000 bezahlbare Wohnungen fehlen.
Wohnungsfrage und Bodenfrage
Von umso größerer Bedeutung ist daher die Frage, wie sich die Vergesellschaftung auf den Berliner Mietmarkt insgesamt auswirken könnte. In Berlin gibt es knapp über 1,7 Millionen Mietwohnungen. Die Enteignung von 220.000 Wohnungen aus dem Besitz der größten Immobilienunternehmen betrifft also knapp 13 Prozent der Wohnungen insgesamt. Dazu kommt noch ein Anteil von ca. 30 Prozent bestehender staatlicher und genossenschaftlicher bzw. gemeinnütziger Wohnungen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass nach der angestrebten Vergesellschaftung noch immer über die Hälfte der Berliner Wohnungen in privatem Besitz verbleiben würden – in Händen von kleinen bis großen Immobilienunternehmen. Selbstnutzer sind aus dieser Rechnung ausgenommen.
Hier zeigt sich eine besondere Eigenschaft des Wohnungsmarkts im Unterschied zu anderen Branchen. Obwohl die Monopolisierung des Wohnungsmarkts in Berlin im Vergleich mit anderen deutschen Städten mit am weitesten vorangeschritten ist, liegt sie weit hinter der anderer Branchen wie etwa der Automobilindustrie oder dem Lebensmittelhandel zurück, wo sich einige wenige Unternehmen den ganzen Markt untereinander aufgeteilt haben. Aus diesem Grund ist infrage zu stellen, inwiefern die extremen Mietsteigerungen des letzten Jahrzehnts tatsächlich in erster Linie auf das Handeln von großen Immobilienunternehmen zurückzuführen ist. Eine viel entscheidendere Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Grund und Boden. Dieser hat im Kapitalismus besondere Eigenschaften. Er ist erstens begrenzt und kann nicht ohne weiteres vermehrt werden, er ist zweitens überwiegend in privatem Besitz und wird entsprechend am Markt gehandelt und er ist drittens Voraussetzung für fast jede Produktion, was es seinen Eigentümern erlaubt, ihn zu verpachten oder zu vermieten, also dafür eine Grundrente zu kassieren. Man spricht deshalb davon, dass die Klasse von Grundeigentümern insgesamt das Bodenmonopol innehat – nicht, weil einzelne eine besondere Monopolstellung einnehmen, sondern weil der gesamte unvermehrbare Boden unter ihnen aufgeteilt ist. Das Bodenmonopol führt bei wachsenden Städten und einer steigenden Nachfrage nach Wohnraum so zwangsläufig zu steigenden Bodenpreisen. Zudem ist Boden insbesondere in Zeiten niedriger Zinsen eine attraktive Anlagemöglichkeit, sodass Spekulationen die Preise noch weiter in die Höhe treiben. Die Niedrigzinspolitik seit der Finanzkriese von 2008 hat diese Dynamik besonders angeheizt. Und so verdreifachten sich die durchschnittlichen Bodenpreise in Berlin seit 2000, in Hamburg haben sie sich in der gleichen Zeit mehr als verdoppelt und in Frankfurt a.M. haben sie sich um das Zweieinhalbfache gesteigert.
Die Explosion der Bodenpreise in den großen Städten führen notwendigerweise zu steigenden Mieten, da der Vermieter neben den größeren Kosten durch eine steigende zu entrichtende Grundrente eben auch höhere Einnahmen entgegenstellen muss, um sich seinen Profit zu sichern bzw. bestrebt sind, sich die erhöhte Grundrente selbst als Profit zu sichern, wenn sie selbst auch Eigentümer des Grundstücks sind. Und so ist der private Grundbesitz insgesamt die Ursache für die unzureichenden und überteuerten Wohnbedingungen, denen wir als Bewohner der Städte ausgesetzt sind. Für eine Lösung des Problems müsste also das private Eigentum an Grund und Boden prinzipiell angegangen werden.
Entschädigung: Wer hat hier was geleistet?
Auch für Deutsche Wohnen & Co enteignen ist der Bodenwert von großer Bedeutung, allerdings weniger in Kontext der Erklärung der Ursache für die Mietpreisentwicklung, sondern im Zusammenhang mit der im Gesetzesentwurf vorgesehenen Entschädigung der Immobilienunternehmen. „Unser Gesetz garantiert den Berliner Mieterinnen und Mietern bezahlbares Wohnen und sichert den Konzernen eine faire Entschädigungssumme“, heißt es dazu auf der genannten Pressekonferenz. Bei der Erläuterung was eine „faire Entschädigungssumme“ ist, werden jedoch zahlreiche weitere Fragen aufgeworfen. Die Initiative gibt an, nur „eigene Leistungen“ der Immobilienunternehmen entschädigen zu wollen. Deshalb soll nicht der aktuelle Bodenwert gezahlt werden, der durch Spekulationen sehr hoch ist, sondern ein hypothetischer Bodenwert, der auf den Bodenpreisen von 2013 mit einer angenommenen „normalen“ Wertsteigerung von 3,5 Prozent pro Jahr basiert. Warum eine Wertsteigerung in dieser Höhe normal ist oder diese geminderte Steigerung dann doch eine „eigene Leistung“ des Immobilienunternehmens darstellen soll, bleibt offen.
Die Ausführungen zum Gebäudesachwert enthalten weitere Widersprüche. Der Gebäudesachwert müsse voll entschädigt werden, „denn Bauen ist eine messbare Leistung, die dem Eigentümer zugerechnet wird.“ Doch werden Gebäude bzw. Wohnungen nicht im Kapitalismus, genau wie andere Waren, von Arbeitern hergestellt? Es waren Maurer, Zimmerer, Architekten und Stahlbetonbauer, die durch die Veräußerung ihrer Arbeitskraft eine Leistung beim Bau der Berliner Wohnungen erbracht haben – nicht etwa die Eigentümer vom Vonovia-Konzern. Letztere sind lediglich durch ihr Kapital in der Lage, sich das fertige Produkt der Arbeit anzueignen. Dies stellt den Grundwiderspruch der kapitalistischen Gesellschaft dar: Eine gesellschaftliche Produktion an der eben der Großteil der Gesellschaft beteiligt ist bei einer privaten Aneignung der Produkte durch eine kleine Klasse von Kapitalisten. Eine Enteignung der Berliner Wohnungen benötigt also keine Entschädigung der Unternehmen, denn sie ist lediglich die Korrektur einer bereits zuvor von den Kapitalisten betriebenen Enteignung des Produkts der Arbeit. Am Ende schätzt die Initiative die Entschädigungshöhe auf 8 bis 18 Milliarden Euro. Diese soll dann inklusive der Zinsen über einen Zeitraum von 100 Jahren von den Mietern der neu geschaffenen AöR gezahlt werden.
Die Widersprüche des Systems
Der Kampf um bezahlbaren Wohnraum zeigt an allen Ecken und Enden die Widersprüche des Kapitalismus als Ganzes. Natürlich sind die großen Wohnkonzerne und ihre Wucherpreise ein Problem. Doch das Privateigentum an Grund und Boden im Kapitalismus bringt an sich steigende Bodenpreise mit sich – unabhängig davon, ob große Immobilienkonzerne, kleine Eigennutzer oder sogar öffentliche Träger darauf bauen. Absurditäten wie leerstehender Wohnraum, vor dem Obdachlose schlafen, lassen sich nur erklären, wenn man versteht, dass es sich in diesem System für Grundeigentümer sogar mehr lohnen kann, eine Fläche einfach brachliegen zu lassen, als sie zu vermieten. Die Klasse der Grundeigentümer profitiert somit völlig ohne irgendeine Leistung von ihrem Eigentum. Wenn dann gebaut wird, sind es die Arbeiter, die Wohnraum schaffen, nur um in diesem Prozess einerseits durch Bauunternehmer ausgebeutet zu werden und dann im Nachhinein in denselben Wohnungen immer öfter über die Hälfte ihres Einkommens im Monat dafür zu zahlen, auf diesem Grund und Boden überhaupt leben zu dürfen. Wichtige Initiativen wie Deutsche Wohnen & Co enteignen, die zu Recht enorme Unterstützung in der Berliner Bevölkerung haben und einen gerechten Kampf für die Erfüllung der grundlegendsten Bedürfnisse führen, decken diesen Zustand auf. Sie zeigen aber auch, dass dieses System nicht einmal so einfache Forderungen, wie die nach einem Ort zum Leben, erfüllen kann.
Die Wohnungsnot wirft zahlreiche Probleme auf, die auf eine große Frage hinführen: Die Eigentumsfrage. Darum ist der konsequenteste Kampf für die die Lösung der Wohnungsfrage der Kampf für den Sozialismus oder wie Engels es sagt: „Nicht die Lösung der Wohnungsfrage löst zugleich die soziale Frage, sondern erst durch die Lösung der sozialen Frage, d.h. durch die Abschaffung der kapitalistischen Produktionsweise, wird zugleich die Lösung der Wohnungsfrage möglich gemacht.“




