November 2024 – die Stadt Göttingen ist zahlungsunfähig
Die Reaktion der Stadt steht mit dem sogenannten „Haushaltssicherungskonzept“ exemplarisch für eine Kahlschlag-Politik, die insbesondere in Krisenzeiten jene trifft, die ohnehin schon wenig haben. Besonders bei Jugendlichen und im sozialen Bereich sollten Subventionen gestrichen und Kosten und Gebühren erhöht werden, um das Finanzierungsloch zu stopfen.
Die Liste an Kürzungen war beachtlich lang: Die freie Jugendhilfe stand so gut wie vor dem Aus. Die städtische Förderung von Räumlichkeiten der Jugendzentren sollte eingestellt werden. In den Schulen sollten sämtliche Budgets gekürzt, das Schulessen teurer und die Nachmittagsangebote deutlich reduziert werden. Auch den Kita-Kids drohte ein ähnliches Schicksal. Beiträge für Eltern sollten erhöht und Betreuungszeiten eingeschränkt werden. Eine sogenannte Zweitwohnsitzsteuer sollte erhoben werden. In einer Universitätsstadt wie Göttingen ist also klar, wen das in erster Linie betrifft, nämlich Studierende. Diese Gebühr ist eine zusätzliche finanzielle Belastung für die Gruppe, unter denen ohnehin schon ein Drittel von Armut bedroht sind und mit immer weiter steigenden Lebenshaltungskosten zu kämpfen haben. Auch dem sozialen Bereich ging es an den Kragen. Gelder für die Geflüchtetenhilfe, Umweltverbänden und Kultureinrichtungen wie dem Theater und kleinen Programmkinos sollten gekürzt werden. Die Veräußerung, also Privatisierung städtischen Eigentums und Einsparungen bei der Feuerwehr unterlag der Prüfung. Die arbeitende Bevölkerung sollte es in Form von erhöhten Parkgebühren, ausgerechnet bei Hebammen, den sozialen Diensten und dem Handwerk treffen.
Doch dagegen formierte sich Widerstand. Das „Bündnis gegen Sozialkürzungen“ wurde ins Leben gerufen, ein breites Bündnis bestehend aus betroffenen Einrichtungen und unterschiedlichen politischen Organisationen. Mit dabei waren Betroffene, die Freien Träger der Jugendhilfe, des Stadtjugendrings, antifaschistischer Gruppierungen, Gewerkschaftsjugenden, den Falken, dem Internationalen Jugendverein, dem Deutschen Theater Göttingen, Kita-Eltern und noch einigen mehr. Innerhalb kürzester Zeit traf sich das Bündnis, organisierte eine Kundgebung und mobilisierte gemeinsam dorthin. Fest stand, dass nun zügig, entschlossen und vor allem gemeinsam gehandelt werden müsse. Am 30. November fand die Kundgebung statt und um die 500 Menschen kamen zusammen und setzten ein klares Zeichen. Unterschiedliche Vertreter aus dem Bündnis kamen zu Wort: Die betroffenen Einrichtungen schilderten die konkreten Folgen der Maßnahmen und andere ordneten die lokalen Kürzungspläne in den bundesweiten Trend von Sozialabbau, Rechtsruck und Militarisierung ein. Im Laufe der Kundgebung schlossen sich spontan vorbeilaufende Passanten an.
Der Protest zeigte schnell Erfolg und Teile der Kürzungen wurden zurückgenommen. Die Jugendzentren, Kitas und Schulen sollen vorerst verschont bleiben. Obwohl nicht alle Kürzungen verhindert werden konnte, zeigt das breite Bündnis, wie durch gemeinsames Handeln Druck entstehen kann, insbesondere in Zeiten von Krise und Krieg.
13. November 2024 in Düsseldorf: Mehr als eine gewöhnliche Demonstration
Er war ein seltener Moment, in dem ein breites gesellschaftliches Bündnis sichtbar machte, dass Widerstand gegen unsoziale Politik nicht nur möglich, sondern notwendig ist. Über 30.000 Menschen stellten sich geschlossen gegen die geplanten 83 Millionen Euro Kürzungen im sozialen Bereich der NRW-Landesregierung – ein deutliches Zeichen in einer Zeit, in der soziale Infrastruktur systematisch ausgehöhlt wird.
Vertreter großer Wohlfahrtsverbände wie Caritas, Diakonie, AWO und Paritätische Wohlfahrt standen gemeinsam mit Mitarbeitenden aus sozialen Einrichtungen, Kirchen, migrantischen Vereinen und vielen Bürgern auf den Rheinwiesen. Ihr gemeinsames Ziel: die geplanten Einsparungen von 83 Millionen Euro im sozialen Bereich abzuwenden, die Kinderbetreuung, Suchthilfe, Familienberatung, Angebote für Geflüchtete und weitere zentrale Leistungen gefährden würden.
Auffällig war die Geschlossenheit, mit der die Verbände auftraten. Der Protest war damit mehr als ein Symbol – er stellte eine seltene Einigkeit im sozialen Sektor her.
Der Auftritt von Sozialminister Laumann, der die Kürzungen verteidigte und dafür laut und deutlich ausgebuht wurde, verdeutlichte die Kluft zwischen Regierungspolitik und der Realität derjenigen, die täglich für soziale Teilhabe kämpfen. Die Landesregierung behauptet, der Bürokratieabbau rechtfertige Einsparungen. Doch betroffen wären genau die Angebote, die Menschen in prekären Lebenslagen brauchen – ein altbekanntes Muster neoliberaler Kürzungspolitik.
Ob die Kürzungen vollständig zurückgenommen werden, bleibt offen. Doch der Rückblick zeigt: Die Demonstration hat das Thema Sozialabbau in NRW klar ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Sie hat politischen Druck erzeugt, die Lage der sozialen Infrastruktur neu zu bewerten. Und sie hat verdeutlicht, dass kollektives Handeln Wirkung hat – gerade dann, wenn viele gesellschaftliche Gruppen gemeinsam auftreten. Kämpfe bewirken etwas, wenn sie kollektiv geführt werden. Diese Demonstration war ein Beispiel dafür, dass gesellschaftliche Gegenmacht entstehen kann – und dass sie notwendig ist, um unsoziale Politik zu stoppen. Der 13. November erinnert daran, dass soziale Rechte nicht geschenkt werden, sondern verteidigt werden müssen.




