Neuer Wehrdienst: Was sagt die Jugend

Heute soll das neue Wehrdienstgesetz durch den Bundestag gehen.

Ab dem 1. Januar 2026 soll das Wehrdienst-Modernisierungsgesetz (WDModG) in Kraft treten. Ziel ist eine eine umfassende Wehrerfassung sowie eine personelle Ausstockung vor allem auch durch eine massive Vergrößerung der Reserve. Was heißt das für die Jugend und wie steht sie dazu?

Was ist geplant?

Das Gesetz sieht vor, dass ab dem 1. Januar 2026 zunächst alle zu ihrem 18. Geburtstag einen Fragebogen zum Interesse und Tauglichkeit für die Bundeswehr erhalten. Für Jungs ist dieser verpflichtend, für alle anderen freiwillig. Geeignete Kandidaten werden anschließend zur Musterung eingeladen. Ab dem 1. Juli 2027 soll die Musterung, also die ärztliche Untersuchung der Wehrtauglichkeit, dann verpflichtend werden, heißt für alle ab dem Jahrgang 2008. Der eigentliche Kern des Neuen Wehrdienst ist jedoch die, dass es zwar zunächst freiwillig bleibt, aber die Möglichkeit herstellt ist, die Wehrpflicht jederzeit unkompliziert wieder zu aktivieren.

Die Politik zieht es aktuell noch vor, die Jugend mit Angeboten wie überdurchschnittlicher Vergütung, kostenlosem Führerschein, Studienplätze oder ähnlichem zu locken oder sie ideologisch zu überzeugen, dass es jetzt darum gehen würde, „die Demokratie“ oder bei Bedarf austauschbar mit „die Heimat“ zu verteidigen und das Ganze noch als ein Abenteuer, Kameradschaft und Heldentum verspricht. Das sind gerade bei der sich verschlechternden sozialen Lage, geringe Übernahmegarantie, Stellenabbau und schlechtem Lohn, sowie steigender Perspektivlosigkeit für die Jugend vielversprechend klingende Angebote. Sollten die Fragebögen, Musterungen und Bestechungen nicht für die angestrebte personelle Aufstockung von Armee und Reservisten ausreichen, also sich nicht genügend Jugendliche „freiwillig“ bereit erklären, soll die Pflicht eingeführt werden. Mit dem § 2a des neuen Wehrpflichtgesetzes (WPflG) wird der Bundesregierung die Möglichkeit eingeräumt, die Einberufung zum Grundwehrdienst durch eine Rechtsverordnung anzuordnen. Dies kann auch außerhalb eines Spannungs- oder Verteidigungsfalls geschehen, sofern die sicherheitspolitische Lage einen zügigen personellen Ausbau der Streitkräfte erforderlich macht, der nicht durch freiwillige Meldungen gedeckt werden kann. Für die Aktivierung ist die Zustimmung des Bundestages erforderlich.

Aber auch schon die umfassende Werbekampagne gepaart mit den Lock-Angeboten bei immer schlechteren Aussichten für die Jugend zeigt Wirkung. So steigt die Bewerberzahl seit einigen Jahren und vor einigen Tagen sprach der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, vor der Deutschen Presse-Agentur (dpa), davon, dass die Anzahl an freiwilligen Wehrdienstlern um 15 % im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sei. Gleichzeitig bleibt die Zahl der Rekrutinnen und Rekruten, die die Ausbildung in der Bundeswehr frühzeitig abbrechen, hoch und liegt bei rund 26 Prozent. Diese Zahlen lassen vermuten, dass nicht wenige Jugendliche, die zur Bundeswehr gehen, dies aufgrund ihrer sozialen Angebote und der Versprechungen durch die Bundeswehr machen, aber dort dann recht schnell merken, dass es nicht so ist wie versprochen. So antwortete auch uns ein Schüler bei einer Straßenumfrage, dass ein Jahr Bundeswehr schon nicht so schlimm sein wird, denn es werde schon nicht genau in der Zeit der Krieg ausbrechen. Dass er, einmal in der Bundeswehr gewesen zur Reserve gehört, d.h. im Kriegsfall dann auch eingezogen werden kann, war ihm nicht bewusst. Dass es beim Neuen Wehrdienst vor allem auch um die Aufstockung der Reserve geht und dass einem zwar vielleicht der Führerschein bezahlt wird, man am Ende aber dann auch an als Kanonenfutter an die Front geschickt wird, wird in der Werbekampagne ja auch nicht an erster Stelle erwähnt.  Denn neben Berufssoldaten fehlt es aktuell vor allem auch an Reservisten, Personen, die nicht im alltäglichen Leben Teil der Bundeswehr sind, aber an der Waffe ausgebildet sind und im Kriegsfall eingezogen werden. Der Bundeswehrprofessor Carlo Masala betonte den Bedarf einer Musterungspflicht besonders ehrlich, als er erklärte, dass im Kriegsfall von den kämpfenden Soldaten „nach sechs Monaten ein Drittel gefallen oder verwundet“ ist und es daher Material um „nachzuschieben“ braucht: Das bedeutet, dass bei Kriegsfall alle, die einen Wehrdienst abgeleistet haben, eingezogen und als Kanonenfutter an die Front geschickt werden können, um die Lücken zu füllen, die die bereits Getöteten oder Verletzten hinterlassen.

Verteidigungsminister Pistorius plant nun zunächst eine Aufstockung auf 260.000 Zeit- und Berufssoldaten an bis 2035. Die Reserve soll von aktuell 100.000 auf 200.000 aufgestockt werden, wobei der Reservistenverband sogar eine Zahl von einer Million Reservisten fordert. Sollte dies nicht mit Freiwilligkeit erreicht werden, soll die Pflicht eingeführt werden. Dass es zunächst bei der „Freiwilligkeit“ bleibt, liegt wahrscheinlich auch daran, dass es an grundlegend nötiger Infrastruktur für eine allgemeingültige Wehrpflicht fehlt. Zudem ist es der Regierung aktuell noch von Vorteil zunächst erstmal den Rückhalt und positiven Bezug der Bundeswehr unter der Jugend zu erhöhen, denn dieser ist in Deutschland traditionell niedrig. Ein Pflichteinzug, während ein Großteil der Jugend dagegen ist, könnte für die herrschenden nach hinten losgehen, indem sie größere Proteste provozieren könnte und dadurch ein Potential für Antimilitarismus erhöhen würde, wenn sie die Jugend so gegen sich aufbringen würde. Also erstmal eine Gewöhnung der Jugend an den Krieg, Stück für Stück.

Wie steht die Jugend dazu?

Und dies scheint zu Teilen auch aufzugehen. Die Propagandakampagnen, die uns erzählen, die Aufrüstung wäre im Sinne unserer Sicherheit und diene rein zu Verteidigungszwecken, tatsächlich Wirkung zeigen sehen wir in den neuen Meinungsumfragen zur Wehrpflicht. So stimmt inzwischen eine knappe Mehrheit in der Bevölkerung den Aufrüstungsplänen zu und ist für eine Wehrpflicht. Unter Jugendlichen und damit auch die in Zukunft vom Neuen Wehrdienst betroffenen sieht das nochmal anders aus. Eine Studie des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur kommt zu dem Ergebnis, dass 54 Prozent dafür sind, dass es wieder eine Verpflichtung zum Dienst bei der Bundeswehr geben sollte, 40 Prozent meinen dagegen, dass der Wehrdienst freiwillig bleiben sollte. In der Altersgruppe zwischen 18 und 29 dagegen ist nur jeder Dritte (35 Prozent) dafür und eine Mehrheit gegen den verpflichteten Wehrdienst. Die Umfrage stellt dabei allerdings nur die Frage, ob Wehrdienst verpflichtend oder freiwillig sein sollte, nicht aber ob es diesen überhaupt brauche bzw. wie man zu Bundeswehr steht. Das ist auch Ausdruck davon, wie öffentlich über die Wehrpflicht diskutiert wird: Alle scheinen sich einig darin zu sein, dass es mehr Soldaten und einen Ausbau der Bundeswehr brauche. Bezeichnet war für diese Debatte auch die Diskussion bei Lanz zwischen Markus Söder mit dem Juso Otto Ellerbrock (17) unter dem Titel „Wehrdienstdebatte: Söder diskutiert mit junger Generation“. Söder stellt schon zu Beginn fest, dass sie darin übereinstimmen, dass es eine „veränderte außenpolitische Situation als die letzten 30 Jahre“ gebe und nun „Deutschland in Europa nicht nur für die eigene Landesgrenze, sondern für die NATO-Grenze stärkere Verantwortung übernehmen müsse“, da auf die Amerikaner kein Verlass mehr wäre. Die Streitigkeiten zwischen SPD und CDU sind rein oberflächliche Diskussionen um die Form der möglichst raschen und umfassenden Militarisierung, nicht aber ob diese überhaupt richtig ist. In Talkshow geht es ähnlich zu: Die Aufrüstung in Frage zu stellen scheint niemand.

Das zeigte sich uns auch in Straßeninterviews, in denen beispielsweise eine Schülerin aus Essen zur Wehrpflicht meinte, „Ich bin gegen die Wehrpflicht“ und als Begründung nannte, dass  „jeder das selbst entscheiden sollte, ob er in die Bundeswehr gehen möchte“, sie könnte sich das zwar nicht vorstellen „aber für manche ist es ja vielleicht ihr Traum“ und eine Frage von „Stolz“, für „ihr Land“ zu sterben.  Anschließend sagte sie allerdings auch, dass ihrer Meinung nach die Politiker und „ihr Land“ eigentlich nichts für sie machen würden sie auch nicht für diese in den Krieg wollen würde. Andere Befragte waren da durchaus unkritischer, betonten einerseits, dass sie gegen eine Wehrpflicht seien, dies aber aus einem „Freiheitsaspekt“, denn jeder solle selbst entscheiden können. Sie schlugen stattdessen vor, die Bundeswehr attraktiver zu machen für Jugendliche.

Trotzdem sind sich große Teile der Jugendlich schon durchaus sehr bewusst darüber, was Krieg für sie bedeuten würde. So sagte uns ein Schüler, dass er die Wehrpflicht verweigern würde, weil er keine Lust habe für irgendwelche Politiker zu sterben und ein anderer betonte, dass er keine Lust habe zu sterben, weil er „das Leben einfach zu sehr liebe“.

Wenn wir uns die Stimmung in der Jugend anschauen können wir nicht von einer Mehrheit sprechen die gegen die Aufrüstung ist aber doch von einer Mehrheit gegen die Wehrpflicht. Daher muss für uns in der Aufklärung und Debatte rund um die Wehrpflicht im Vordergrund stehen, diese als Schritt der Kriegsvorbereitungen zu sehen und diese grundsätzlich in Frage zu stellen.

Wir müssen bei dieser Ablehnung großer Teile der Jugend ansetzen. Denn die meisten wollen selbst nicht den Dienst an der Waffe machen, geschweige denn wirklich kämpfen müssen. Und die eigenen Kinder wollen die meisten dann auch nicht im Krieg sehen.

Auch wenn es keine durch und durch antimilitaristische Position, die die Mehrheit der Jugend, die gegen die Wehrpflicht ist, einnimmt, bietet es uns die Möglichkeit darüber breitere Teile der Jugend gegen die konkreten Aufrüstungspläne der Regierung und des deutschen Kapitals zu mobilisieren und von diesem Punkt aus die Diskussion über die Militarisierung insgesamt und die dahinterstehenden Interessen zu führen.