Nachdem sich Deniz Çelik, Abgeordneter und Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft, gegen die Wiedereinführung der Regelanfrage ausgesprochen hat, versucht nun das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz, ihn einzuschüchtern und droht mit rechtlichen Schritten. Dieser Fall reiht sich ein in die wachsende Repression in Deutschland.
Was ist passiert?
Am Montag, den 3. November 2025 erhielt Çelik ein Schreiben im Namen des Hamburger Verfassungsschutzes, in dem er unter Androhung eines gerichtlichen Verfahrens aufgefordert wurde, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Denn in einer am 21. Oktober veröffentlichten Pressemitteilung unter dem Titel „Regelanfrage im öffentlichen Dienst: Linksfraktion warnt vor Rückkehr der Berufsverbote“ hatte Celik benannt, dass der Verfassungsschutz „immer wieder auch durch den Schutz rechter Netzwerke aufgefallen“ ist. Das Landesamt für Verfassungsschutz leugnet im Schreiben, dass politische Kräfte rechts der „Mitte“ jemals begünstigt wurden und beschuldigt Celik zu lügen. Ein Blick in die Geschichte liefert aber erschütternd viele Belege dafür, wie die Institution Verfassungsschutz rechte Strukturen gestützt und gestärkt hat. Sei es durch das an einem Netz von V-Leuten gescheiterte NPD-Verbotsverfahren oder Verstrickungen im NSU-Komplex. Die Aufforderung zu einer Unterlassungserklärung und der damit einhergehenden Rücknahme der Aussage ist ein Einschüchterungsversuch gegenüber denjenigen, die sich gegen den Ausbau der Befugnisse des Verfassungsschutzes und der damit verbundenen Einschränkung unserer demokratischen Rechte und Freiheiten einsetzen. Ursprünglich hat sich die Pressemitteilung gegen die Wiedereinführung der Regelanfrage in Hamburg gerichtet und der Angriff muss vor diesem Hintergrund eingeordnet werden. Denn Celik hat in der Vergangenheit bereits häufiger diesen Charakter des Verfassungsschutzes als Inlandsgeheimdienst, der immer wieder durch Verstrickungen mit rechten Kräften auffällt benannt und daraufhin keine Androhungen auf Klage erhalten.
Was hat das mit der Regelanfrage zu tun?
Die Wiedereinführung der Regelanfrage in Hamburg würde bedeuten, dass Bewerber auf eine Stelle im öffentlichen Dienst zunächst durch eine Anfrage beim Verfassungsschutz auf ihre „Verfassungstreue“ geprüft werden könnten. Im öffentlichen Dienst arbeiten die meisten Personen, die bei staatlichen oder öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern wie Bund, Ländern und Gemeinden beschäftigt sind. Darunter fallen Beamte, Richter und Polizisten, aber eben auch Lehrer, Erzieher, Sozialarbeiter und Beschäftigte in Krankenhäusern. Sie alle könnten mit der Regelanfrage vor ihrer Einstellung darauf geprüft werden, ob sie durch politische Aussagen oder Aktivismus dem Verfassungsschutz aufgefallen sind. Gerechtfertigt wird dies durch den Senat mit dem „Schutz vor Extremismus“ wobei auf islamistische Lehramtsstudenten als Beispiel angeführt werden. Bereits vor ein paar Monaten hat die Landesregierung von Rheinland-Pfalz angekündigt, von ihren Bewerbern eine schriftliche Erklärung über ihre Verfassungstreue und eine Erklärung, keiner extremistischen Organisation anzugehören, vor der Einstellung zu verlangen. Um die Öffentlichkeit für dieses Vorhaben zu gewinnen, wurde es damit gerechtfertigt, dass AfD-Mitglieder ebenfalls aus dem öffentlichen Dienst ferngehalten werden würden. Nach anfänglicher Kritik wurde schnell zurückgerudert, und die AfD sollte keine Ausschlussbedingung mehr sein. Die zahlreichen antifaschistischen und sozialistischen Gruppen auf der Liste von verfassungsfeindlichen Organisationen jedoch schon (Mehr dazu im Artikel „Berufsverbote passend zur Zeitenwende“, Arbeit Zukunft, August 2025).
Das reiht sich ein in die Geschichte Deutschlands mit Berufsverboten. Denn in der Vergangenheit haben wir gesehen, wen sowohl die Berufsverbote als auch die Ermittlungen des Verfassungsschutzes insbesondere treffen. Durch den sogenannten Radikalenerlass von 1972 wurden Millionen Bewerberinnen und Bewerber für den öffentlichen Dienst durch Regelanfragen überprüft und in erster Linie regierungskritische Stimmen, Gewerkschafter, Aktive aus der Friedensbewegung und Kommunisten ins Visier genommen. Und auch heute treffen Berufsverbote wieder fortschrittliche Kräfte. Die Regelanfrage in Hamburg würde ein weiteres Werkzeug für den staatlichen Repressionsapparat bedeuten, diese Stimmen zu kriminalisieren und auch verstummen zu lassen.
Der Angriff auf Deniz ist ein Angriff auf unsere demokratischen Rechte!
Seit einigen Jahren lässt sich bundesweit eine Verschärfung der Repression in Deutschland beobachten – die sich häufenden Fälle von Berufsverboten reihen sich in diese Tendenz ein. Ob am Flughafen Leipzig/Halle, der ein Drehkreuz für Rüstungsgüter nach Israel ist und wo ein DHL-Mitarbeiter und Vertrauensmann die Waffenlieferungen kritisiert hat und nach vorheriger Freistellung fristlos gekündigt wurde (Hier zum Artikel auf ArbeitZukunft.de). Oder im Fall Lisa Poettingers, der die Zulassung zum Referendariat in München verwehrt wurde, weil sie als Klimaaktivistin die kapitalistische Produktionsweise kritisierte und als Ursache für die Klimakatastrophe die „Profitmaximierung“ benannt hat.
Diese Aggression des deutschen Staats gegen Kriegsgegner und kritische Stimmen ordnet sich ein in ein größeres Bild mit der Zeitenwende, der Militarisierung und der Kriegsvorbereitung. Antimilitaristischem und systemkritischem Protest wird immer schärfer begegnet. In den letzten zwei Jahren wurden diese Mechanismen anhand der Palästina-Proteste ausgebaut und gestärkt. Beispielsweise in Hamburg wurde im Oktober 2023 eine Allgemeinverfügung erhoben, die Versammlungen mit Bezug auf Palästina verbot. Mehrere Monate konnte kein Protest mit Bezug auf den Nah-Ost-Konflikt oder diesen massiven Einschnitt in die Versammlungsfreiheit auf die Straße getragen werden. Im Nachhinein, im Januar 2025, wurde diese Allgemeinverfügung als rechtswidrig eingestuft. Aber auch im öffentlichen Dienst, wie an Schulen und Hochschulen, wurde in dieser Zeit die Staatsräson mit neuen Mitteln durchgesetzt. An Berliner Schulen wurden Lehrkräfte angewiesen, bei palästina-solidarischen Äußerungen ihre Schüler anzuzeigen. Inzwischen beschränkt sich dieses Maß an Repression jedoch nicht mehr nur auf Palästinasolidarität, sondern auf antimilitaristische Haltungen auch in Bezug auf die Aufrüstung in Deutschland. So wurde ein Schüler in Freiburg von der Bundeswehr angeklagt, weil er ein Meme über einen Bundeswehr-Offizier gepostet hat, welches im Kern die Aussage getroffen hat, dass der Schüler nicht zukünftig an der Ost-Front sterben möchte. Die Aufrüstung nach Innen nimmt bisher ungesehene Ausmaße an. Und auch die Regelanfrage in Hamburg wird Kriegsgegner treffen. Dabei stellt sie eine massive Einschränkung der Meinungsfreiheit dar und soll bei den Kolleginnen und Kollegen, aber auch zukünftigen Angestellten und der Jugend, Angst schüren, sich kritisch zur herrschenden Politik zu äußern. Die Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen wird hierdurch erheblich eingeschränkt und in Zukunft sollen damit nur noch regierungshörigen Menschen diese gesellschaftsformenden Tätigkeiten ausführen. Und das im Namen der Demokratie? Denn eine Prüfung auf Verfassungstreue bedeutet in diesem System nicht, dass Menschen darauf geprüft werden, inwiefern sie hinter demokratischen Werten stehen, sondern ob sie die Eigentumsordnung der kapitalistischen Produktionsweise akzeptieren und sich hinter die Interessen des deutschen Imperialismus, seine Aufrüstung und Ziele stellen. Der Verfassungsschutz ist keine demokratisch kontrollierte Instanz, sondern ein Inlandsgeheimdienst, der gegen fortschrittliche und oppositionelle Kräfte vorgeht.
Was wird jetzt passieren?
Deniz Çelik hat mit seiner Erklärung den Widerstand gegen die Wiedereinführung der Regelanfrage und den damit einhergehenden Ausbau des Repressionsapparats gestärkt und soll nun mundtot gemacht und eingeschüchtert werden. An ihm soll ein Exempel statuiert werden. Im Sinne des Widerstands gegen die Repression zeigt er jedoch Haltung und lässt sich nicht einschüchtern. Jetzt ist es an den Organisationen und Bündnissen, die sich gegen die Aufrüstung nach innen und den Ausbau des Repressionsapparats sowie die Angriffe auf unsere demokratischen Rechte stellen, ihm den Rücken zu stärken und gemeinsam gegen diesen Angriff vorzugehen. So hat sich in Hamburg ein Bündnis gegen Berufsverbote gegründet, welches durch Unterschriften und Kundgebungen den öffentlichen Druck auf den Senat gegen die Wiedereinführung der Regelanfrage aufbaut.
Diese Bestrebungen haben, neben weiteren Faktoren, bereits Wirkung gezeigt. So hat der Hamburger Senat zunächst angekündigt, dass die Regelanfrage zum 01. Januar 2026 wieder in Kraft treten solle. Die Gewerkschaften, die auch Teil des Bündnisses sind, haben jedoch darauf bestanden, dass die Frist für eine Stellungnahme weiter aufgeschoben wird, wodurch die Verbandsanhörung länger gedauert hat als geplant. Außerdem sollen im Vorlauf mehrere Anhörungen im Innenausschuss, zum einen des Senats, zum anderen von Experten, stattfinden. Das Ergebnis: Das ursprüngliche Ziel des Hamburger Senats, die Regelanfrage klammheimlich zum Jahreswechsel einzuführen, kann nicht eingehalten werden, sondern wird sich voraussichtlich auf April 2026 verschieben. Die Angelegenheit schnell über die Bühne zu bringen ist also auch an der öffentlichen Kritik gescheitert.




