Mal leben die Rentner angeblich zu lange, erhalten zu viel Rente und die Jungen müssen diese Last tragen. Immer mehr Rentner müssen von immer weniger jungen Menschen finanziert werden. Oder umgekehrt: Die jungen Menschen arbeiten immer weniger, zahlen zu wenig in die Sozialkassen ein, pflegen nur ihren Lifestyle. Soweit die Propaganda, die die Menschen gegeneinanderhetzt und spaltet. Doch wie sieht die Realität aus?
Was aktuell ansteht
Der Streit um die Rente ist nicht neu: Er war einer der Faktoren im Scheitern der Ampel-Regierung und brachte in Frankreich 2023 hunderttausende auf die Straßen, als das Eintrittsalter von 62 auf 64 angehoben wurde (in Deutschland liegt es für die Jahrgänge ab 1964 wohlgemerkt bei 67). Die neue Regierung hat die Diskussion wieder aufgenommen und das Rentenpaket 2025 auf den Weg gebracht. Bis 2031 soll das Rentenniveau bei 48 % stabil bleiben – klingt erstmal gut. Aber die Maßnahmen, die schon jetzt auf den Weg gebracht werden, zeigen, wohin es in Zukunft gehen wird: Teil des Pakets sind Maßnahmen, die Rentnern erleichtern sollen, weiterzuarbeiten. Ab nächstem Jahr soll dann auch die Aktiv-Rente Realität werden, mit der Rentner bis zu 2.000 € steuerfrei weiterarbeiten können. Und der diskutierte Boomer-Soli, bei dem 10 % der Alterseinkünfte ab 1.000€ abgezogen werden sollen, um damit Rentnern mit geringeren Einkünften auszuhelfen. Umverteilung unter den Rentnern quasi – um die heute von arbeitenden Menschen eingezahlten Beiträge zu entlasten. Weitere diskutierte Maßnahmen waren dieses Jahr die Aufnahme von Beamten in die Rente anstelle der besser ausfallenden Pension. Und die Wirtschaftsinstitute fordern bereits noch härtere Einschnitte: Eine Anhebung des Rentenalters und ein Stopp der regelmäßigen Anpassung des Rentenniveaus, wenn das Verhältnis zwischen Einzahlern und Rentnern noch unausgeglichener wird – das fordert Ifo-Chef Clemens Fuest in Einklang mit den Wirtschaftsweisen. Wirtschaftsministerin Reiche fordert die Rente mit 70. Es zeigt sich also: Es wird rumgeschachert, Geld und Abgaben werden hin- und hergeschoben und im Zweifel werden diejenigen bezahlen, die entweder ihr Leben lang gearbeitet haben oder es noch tun werden. Doch wie ist es überhaupt zu dieser Mangelsituation gekommen?
Ein kleiner Blick in die Geschichte
Dazu schauen wir auf die Geschichte der Rentenversicherung. Die sozialistische Arbeiterbewegung hat mit Beginn der Industrialisierung hart für eine soziale Absicherung bei Krankheit und im Alter gekämpft. Das wurde mit dem Kampf für den Sozialismus verbunden. Die Arbeitskraft sollte nicht mehr länger Ware und Objekt der Ausbeutung sein, sondern den Arbeiterinnen und Arbeitern dienen. Um dem Kampf der Arbeiterklasse etwas entgegenzusetzen, führte die kaiserliche Regierung unter Kanzler Bismarck 1889/91 eine Invaliden- und Altersrente ein. Sie wurde zu je einem Drittel von den Versicherten, den Kapitalisten und dem Staat bezahlt. Sie war sehr niedrig und völlig unzureichend, aber ein Ergebnis des Kampfes der Arbeiterbewegung. Doch mit dem Ersten Weltkrieg und der nachfolgenden Inflation während der Weimarer Republik wurde sie in den Ruin getrieben. Die Arbeiterklasse musste in vielerlei Hinsicht für den Krieg zahlen. Auch ihre Renten wurden extrem gekürzt. Das Kapital hat ihre Beiträge zur Finanzierung seines Krieges und seiner Krise regelrecht enteignet und geraubt.
Das wiederholte sich im Zweiten Weltkrieg. Das NS-Regime nutzte die Beiträge zur Rentenversicherung für die Finanzierung der Rüstung. So wurde die Arbeiterklasse erneut beraubt. Nach der Befreiung vom Faschismus waren die Rentenkassen leer. Die Rüstungskonzerne, die durch die Rentengelder hohe Profite machen konnten, wurden selbstverständlich nicht für eine Entschädigung herangezogen, sondern geschützt. Nicht nur als Kanonenfutter, sondern auch mit der Ruinierung ihrer Rentenkasse musste die Arbeiterklasse die Lasten des Krieges tragen.
Woher kommt das aktuelle Problem?
Seither werden nur noch minimale Rücklagen gebildet, sondern die Renten unmittelbar aus den eingehenden Beiträgen bezahlt. Die Rentenversicherung muss nur noch Rücklagen zwischen 0,2 und 1,5 Monatsausgaben haben. Es geht also von der Hand in den Mund. Reserven gibt es kaum. So kann jede Krise oder Veränderungen in der Alterspyramide unmittelbar zu einer Krise der Rentenversicherung führen. Dieses System der umlagefinanzierten Rente ist überhaupt der Grund dafür, dass ein Generationenkonflikt entstehen kann.
Ein weiterer Faktor, der dazu geführt hat, dass die Rentenkassen immer wackliger wurden, sind die sogenannten versicherungsfremden Leistungen. Häufig, wenn eine Regierung ein kleines „Wahlgeschenk“ benötigte, wurde das aus den Rentenkassen bezahlt. Nach Expertenschätzungen sollen bis zu 870 Milliarden Euro auf diesem Wege aus den Rentenkassen abgezweigt worden sein. So wurde vermieden, dass etwa Steuern für das Kapital erhöht wurden. Viele dieser versicherungsfremden Leistungen waren durchaus sinnvoll, wie z.B. die Mütterrente oder die Grundrente. Aber sie hätten ehrlich und offen finanziert werden müssen. Da war die Abwälzung der Lasten auf die Rentenversicherung bequem. So konnte man als Politiker als „Wohltäter“ auftreten, ohne jede Verantwortung zu übernehmen. Andernfalls hätte man eben über Steuererhöhungen für die Reichen reden müssen. Man hätte sie auch endlich für ihre Plünderung der Rentenkassen im Ersten und Zweiten Weltkrieg verantwortlich machen können. Doch das Kapital wird geschont und gepampert.
Umverteilen von wo nach wo?
Diejenigen Kapitalvertreter, die heute nach höherem Renteneintrittsalter und niedrigeren Renten schreien und damit angeblich die Interessen der jungen Generation gegen die alten verteidigen sind es auch, die die höhere Besteuerung von Reichen strikt ablehnen. Um von der unbequemen Wahrheit abzulenken, dass die eigentliche Umverteilung gar nicht stattfindet, sondern das Geld nur unter denjenigen, die im Vergleich zu den Superreichen lachhafte Einkünfte haben, hin- und hergeschoben wird, werden stattdessen Junge und Alte gegeneinandergehetzt. So hat man „Schuldige“ für die Misere der Sozialkassen: Die Alten sind zu teuer, die Jungen sind zu faul. Es gibt also in der Realität keinen Generationenkonflikt. Stattdessen gibt es den Konflikt zwischen der Arbeiterklasse und allen arbeitenden Menschen auf der einen Seite und dem Kapital auf der anderen Seite. Das Kapital will zwar die Arbeitskraft der Menschen ausbeuten und ihre Gesundheit verschleißen, aber möglichst wenig dafür zahlen. Die Sozialversicherung als ein Ergebnis des Kampfes der Arbeiterbewegung war für das Kapital schon immer eine „Last“, die man gerne ganz loshätte. Darum werden Renten- wie Krankenversicherung immer wieder angegriffen, die Leistungen reduziert und die Betroffenen noch gegeneinandergehetzt. Darum wird jede Krise, die das Kapital verursacht, genutzt, um Sozialabbau zu fordern. Doch ob jung oder alt, wir alle müssen viele Jahrzehnte in die Sozialkassen einzahlen, um immer weniger Leistungen zu erhalten. Statt uns spalten zu lassen, müssen wir fordern, dass die Nutznießer der Ausbeutung auch für die gesundheitlichen Schäden und eine Absicherung im Alter aufkommen.