Die aktuellen Forderungen der Ver.di-Tarifkommission markieren einen längst überfälligen Versuch, die systematischen Reallohnverluste im Landesdienst zu stoppen. Aus Perspektive der Beschäftigten der Länder sind sie vernünftig, notwendig – und nur durch massiven kollektiven Druck durchsetzbar.
Lohnerhöhungen als Reaktion auf reale Entwertung der Arbeit
Die Forderung „7 % oder mindestens 300 Euro“ drückt keine Radikalität aus, sondern widerspiegelt die objektive Lage: jahrelange Lohnzurückhaltung, steigende Lebenshaltungskosten und eine politisch gewollte Verschiebung der Krisenlasten auf Beschäftigte. Die beiden letzten Abschlüsse waren von der Gewerkschaft überwiegend mit Einmalzahlungen ohne tarifliche Auswirkung abgewunken worden.
Realistisch betrachtet sind diese Forderungen der Versuch, verlorene Kaufkraft teilweise zurückzuholen, nicht ein „Angriff“ auf die öffentlichen Haushalte, wie Arbeitgeber immer wieder anführen.
Die Mindestsumme von 300 Euro stärkt gezielt die unteren Entgeltgruppen – ein klarer Schritt gegen die zunehmende soziale Spaltung innerhalb des öffentlichen Dienstes.
Verbesserte Zuschläge und Nachwuchskonditionen
Die geforderte Erhöhung der Zeitzuschläge sowie mehr Geld und sichere Perspektiven für Auszubildende greifen zentrale Schwachstellen an: chronische Überlastung, Nachwuchsmangel und gesundheitliche Belastung. Diese Maßnahmen schaffen die Ausbeutung der Arbeitskraft im sozialen und öffentlichen Sektor nicht ab, sind aber notwendige Forderungen, um eine strukturelle Ausbeutung zu mindern, die sich besonders bei Schicht- und Wochenendarbeit zeigt.
Der politische Charakter der TdL-Argumentation
Derzeit sind 15 der 16 deutschen Bundesländer Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Das Land Hessen gehört der TdL seit dem Jahr 2004 nicht mehr an. Die TdL argumentiert mit einer Haushaltslogik, die Löhne als Kostenfaktor behandelt, nicht als Anerkennung gesellschaftlich notwendiger Arbeit. Die oft vorgebrachten „leeren Kassen“ sind politisch gesetzt – während Milliarden für andere Bereiche problemlos locker gemacht werden können.
Damit wird deutlich: Ohne Druck wird die TdL freiwillig keinen Millimeter nachgeben.
Die entscheidende Rolle des Arbeitskampfes
Die Stärke der Beschäftigten liegt nicht im moralischen Appell, sondern in ihrer Macht, die auf getaner Arbeit beruht. 2,5 Millionen Menschen in Schulen, Verwaltungen, Hochschulen und Kliniken können den gesellschaftlichen Alltag spürbar beeinflussen und das Leben anhalten, wenn sie möchten. Tarifpolitik ist Klassenkampf – im öffentlichen Dienst genau wie in der Privatwirtschaft.
Ob Forderungen erreicht werden, hängt nicht von der Überzeugungskraft am Verhandlungstisch ab, sondern von organisierter, sichtbarer Streikbereitschaft.
Eine notwendige Verschiebung von Defensive zu Offensive
Die Tarifrunde 2025 steht nach Jahren des Stillstands für Reallöhne anzuheben, die Ost-West-Ungleichheiten endlich zu beenden und Arbeitsbedingungen für Angestellte, Azubis und studentische Hilfskräfte real zu verbessern. Das ist ein Minimum dessen, was nötig ist, um den öffentlichen Dienst vor weiterer Erosion zu schützen – und die Selbstbehauptung der Beschäftigten gegenüber einer Politik der Sparsamkeit auf ihrem Rücken zu ermöglichen.




