Ein breites Bündnis hat am 3. Oktober 2025 zu Demonstrationen in Berlin und Stuttgart aufgerufen, welchem zahlreiche Menschen folgten. Die Forderungen richteten sich gegen den Aufrüstungskurs der Bundesregierung, den Genozid in Gaza und den Krieg in der Ukraine, die Wehrpflicht, die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland, sowie gegen jegliche Rüstungsexporte. Stattdessen wurden Investitionen in Soziales, Bildung, Gesundheit, Kultur, Umweltschutz und ein weitreichendes Asylrecht gefordert.
Schon in den letzten Jahren gab es Großdemonstrationen des Bündnisses „Nie wieder Krieg – die Waffen nieder!“ in Berlin. In diesem Jahr wuchs das Bündnis bestehend aus Gewerkschaften, Friedensinitiativen, Parteien, Jugendorganisationen und Arbeitervereinen weiter an und veranstaltete, statt einer bundesweiten Aktion, parallele Demonstrationen an zwei Standorten.
Applaus und Kritik
In Berlin, wo sich circa 20.000 Menschen versammelten, wurde die Kundgebung von der Europa-Abgeordneten der Linkspartei Özlem Alev Demirel eröffnet. Auch einige Landes- und Ortsverbände der Linkspartei riefen zu den Demonstrationen auf, waren allerdings insgesamt nur wenig präsent.
Wie im letzten Jahr sprach auch SPD-Politiker Ralph Stegner. Nachdem dieser im letzten Jahr überwiegend ausgebuht wurde, erntete er in diesem Jahr viel Applaus, indem er sich für Diplomatie und gegen die Kriegslogik aussprach. Kurze Buhrufe gab es lediglich, als Stegner: „Ich bin nun dafür, dass wir Beistand leisten und die Ukraine sich verteidigen kann“ sagte. An solchen Aussagen ließ sich erkennen, dass trotz seiner Rhetorik, die man von kaum einem anderen SPD-Politiker aktuell kennt, Stegners Kurs dem der SPD gar nicht so fern ist. So sprach er auch davon, dass wir eine „Verteidigungs- und Bündnisfähigkeit“ brauchen, aber eben „keine Rekordaufrüstung“. Kurz gesagt: Rüstung ja, aber nur in Maßen. In Stuttgart waren die über 15.000 Teilnehmer der Demonstration weitaus aufgebrachter über den SPD-Politiker Lothar Binding, welcher Bundesvorsitzender der SPD AG 60 plus ist. Zwar zeigte sich dieser überraschend palästinasolidarisch, indem er das, was in Gaza passiert, als Genozid anerkannte, doch schien man ihm das nicht ganz abzukaufen, weswegen es teils starke Empörung unter den Teilnehmenden gab.
Klassenkämpferisch zeigte sich der Generalsekretär des Bündnis Sahra Wagenknecht Christian Leye. „Die Frage von Krieg und Frieden ist zuallererst eine Klassenfrage“, ließ dieser gleich mehrfach in seiner Rede verlauten. Er bezog sich auf die Bewegung in Frankreich, die gegen den weiteren Abbau des Sozialstaates kämpft und sagte, dass wir in Deutschland ebenfalls Widerstand leisten müssen, damit der von den arbeitenden Menschen erkämpfte Sozialstaat nicht zurückgebaut wird. Am Ende verkündete er, dass dem Herbst der Reformen, ein „Herbst des Widerstands“ entgegensetzt werden wird. Diese Aussagen sind durchaus überraschend, schließlich ist Christian Leye, der betonte, wie schade er es findet, dass dieser Klassenbegriff kaum noch genutzt wird, hochrangiges Mitglied einer Partei, welche nicht ein einziges Mal von Klassen in ihrem Wahlprogramm spricht und statt für die Arbeiterklasse vor allem für die Unternehmen des Mittelstandes eintritt. Es bleibt also abzuwarten, inwiefern das BSW die Arbeiterklasse in diesem Herbst zum Widerstand gegen den Sozialabbau mobilisieren wird.
Jugend und Gewerkschaften waren präsent
Auch einige Gewerkschaften, sowie Arbeiter- und Jugendorganisationen, haben in diesem Jahr wieder mobilisiert. So gab es in Berlin einen Block von jungen Gewerkschaftern, welcher lautstark „Ausbildungsplätze statt Kriegseinsätze“ forderte. In Stuttgart waren sowohl ein Vertreter der ver.di Jugend, als auch die ver.di Bezirksleiterin Baden-Württembergs unter den Rednern vertreten. Ersterer legte den Fokus seines Redebeitrags vor allem auf die Militarisierung des Gesundheitswesens, in welchem er tätig ist. Außerdem sprachen er und auch Bezirksleiterin Schollenberger über die wichtigen Auseinandersetzungen in den Gewerkschaften für eine fortschrittliche Positionierung in der Friedensfrage. Das diese nicht selbstverständlich ist zeigt, sich auch daran, dass maximal einige Landesverbände von z.B. ver.di aufriefen, allerdings keinerlei Bundesverbände und auch in der Breite keine allzu große Menge von Ortsverbänden der Gewerkschaften.

Dazu gab es viele weitere oft kämpferische Reden Vertretern der DIDF, der SDAJ, VVN/BdA und weiteren, welchen den Nerv der Zeit trafen, indem sie sich gegen die Hochrüstung des deutschen Staates positionierten und klar aufzeigten, was dieser für einen Sozialabbau mit sich bringen wird. Auch die Frage, wem Kriege nutzen, nämlich nur denen die an ihnen verdienen und nie denjenigen die in den Krieg ziehen müssen, wurde mehr als deutlich. Hier fiel positiv auf, dass Falschauffassungen einiger Redner der letzten Jahre, wie Deutschland sei in seiner Kriegspolitik nur ein „Vasall“ der USA oder die Politiker seien schlichtweg „dumm“ und würden deswegen aufrüsten, weitaus weniger Raum gefunden haben.


Der Protest geht weiter
Obwohl weder Gewerkschaften noch Linkspartei eine starke bundesweite Mobilisierung durchgeführt haben und das Bündnis Sahra Wagenknecht vor drei Wochen lieber eine eigene Demonstration veranstaltet hat, anstatt wie in den letzten Jahren insbesondere zu den heutigen Demonstrationen zu mobilisieren, hat der heutige Protest einen weiteren wichtigen Beitrag geleistet, die Friedensbewegung in den aktuellen Zeiten auf die Straßen zu bringen. Und obwohl es gut ist, dass in diesen Wochen und Monaten so viele Proteste stattfinden, bleibt es eine Herausforderung, als Friedensbewegung eine einheitlichere Kraft zu entwickeln. Obwohl der Völkermord in Gaza ein bestimmendes Thema war, zeigte auch die heutige Aktion, wie wichtig es nach wie vor ist, die traditionelle Friedensbewegung und die palästina-solidarische Bewegung zu vereinigen.

Klar ist: Angesichts einer weiteren Demo des Bündnisses „United4Gaza“ in Berlin wird die Reihe an Großdemonstrationen für den Frieden vorerst nicht abebben. Positive Bezugspunkte wurden auch vor allem in Frankreich, Griechenland und Italien gefunden, in denen Arbeiter- und Friedensbewegung deutlich stärker sind als in Deutschland. Langfristig wird der Aufbau einer solchen Bewegung auch an der Frage entschieden werden, ob sich die verschiedenen Kräfte in der Bewegung zusammenfinden können und ob es insbesondere in den Gewerkschaften gelingt, die Kolleginnen und Kollegen auf diesem Kurs mitzunehmen.