Eigentlich wollte US-Präsident Donald Trump den Ukraine-Krieg binnen 24 Stunden nach Amtsantritt im Januar beenden. Anstelle des versprochenen, aber nicht umgesetzten Zauberstücks kam es zumindest zu einem Treffen zwischen Trump und Präsident Putin in Alaska im August. Es sollte nun zu einem weiteren Treffen zwischen den beiden kommen. Trump sagte das Treffen jedoch ab und verhängte am Mittwoch Sanktionen gegen Russland: ganz zur Freude deutscher Politiker. Die größten russischen Ölproduzenten Lukoil und Rosneft sind von den Sanktionen betroffen, die Wirkung bleibt jedoch fragwürdig. Ob sie den Ölpreis für russische Exporte spürbar nach unten drücken würden, ist unklar. Russland verschifft über Umwege wie bspw. Indien weiterhin Öl. Die Vertreter aus der EU wollten sogar noch einen Schritt weitergehen: Beim EU-Gipfel am letzten Freitag diskutierte man über die Nutzung eingefrorener russischer Vermögenswerte (Russian Assets) zur Finanzierung der Ukraine. Die EU konnte sich jedoch, auch aufgrund von Gegenstimmen wie aus Belgien, nicht auf ein solches Vorhaben einigen. Der Zugriff auf Gelder der russischen Zentralbank könnte das „Vertrauen“ von internationalem Kapital erschüttern und womöglich den Euro schwächen. Einzig beschlossen bleibt die Garantie an die Ukraine, diese bis einschließlich 2027 finanziell und militärisch am Leben zu erhalten. Rund 140 Milliarden Euro möchte die EU dafür bereitstellen, denn bereits im nächsten Jahr könnte laut IWF eine Finanzkrise in der Ukraine drohen.
Verfahrene Lage seit mehr als 2 Jahren
Washington und Moskau sind zum gleichzeitigen Schluss gelangt, dass ein Waffenstillstandsabkommen die vorteilhafteste aller derzeitigen Optionen ist. Betrachtet man die letzten 44 Monate Krieg in einem Zeitraffer und dazu noch zusätzlich die letzten 24 Monate, so gleicht die Kriegsentwicklung mehr einem Stellungskrieg als einer sich ständig dynamisch verändernden Situation, in welcher Waffenlieferungen und jener Sanktionsbeschluss an der Ausgangslage grundlegend etwas ändern könnte. Die von Trump kürzlich abgesagten Tomahawk-Lieferungen an die Ukraine drücken diese Konsequenz aus. Anstelle einer militärischen Eskalation, die weit hinter die russische Grenze abgefeuert werden könnte, treten die milderen Sanktionen gegen Lukoil und Rosneft. Man will den Druck und Einsatz erhöhen, um ein Abkommen zu erreichen, ohne über das Ziel hinauszuschießen. Nur die Details eines solchen Abkommens bleiben umstritten. Selbst wenn Moskau bereit wäre, so müsste auch Washington bereit sein; und umgekehrt. Die Verhängung der US-Sanktionen gegen Russland bei parallelen Gesprächen mit dem russischen Sonderbeauftragten Dmitriev in Washington, der Verschärfung der Bombardements gegen ukrainische Infrastruktur und der teilweise Rückeroberung ukrainischer Ortschaften wie Torske könnten zu der von Putin vermuteten „diplomatischen Lösung“ führen oder zumindest den Raum der Ausflüchte verengen, indem diese Maßnahmen die Lage zuspitzen.
Die Frage stellt sich schon lange nicht mehr, inwiefern die Ukraine Territorien zurückerobern oder bei entsprechendem Abkommen zurückverlangen könnte. Die eigentliche Frage ist, ob die Parteien in Bezug auf den Stauts Quo des Frontverlaufs in Verhandlungen treten. Moskau hatte sich bislang geweigert. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es die gesamte Donbass-Region beansprucht und momentan Luhansk und Donezk nicht vollständig besetzt hält.
Grenzziehung ist für Großmächte entscheidend
Die Kontrolle über die beiden Regionen ist nicht zuletzt aufgrund großer Vorkommen von seltenen Erden strategisch wichtig. Trump hat dieses Jahr bereits einen Rohstoff-Deal mit der Ukraine vereinbart, um den USA einen Teil vom Kuchen abzusichern. Die bürgerliche Presse hat Trump für diese Weitsicht gelobt und der EU Zögerlichkeit vorgeworfen. Vergessen wird in diesem Zusammenhang, dass die EU bereits vor dem Krieg im Jahr 2021 mit der Ukraine eine strategische Partnerschaft über ihre Rohstoffvorkommen unterzeichnete. Auch für die EU ist der nach einem möglichen Abkommen endgültige Frontverlauf nicht unerheblich.
Die vollständige Abtretung der Donbass-Region an Russland birgt gleichzeitig auch militärische Probleme. Die aus dem Kriegsverlauf entstandenen Verteidigungsanalgen auf diesem Gebiet wären so schlagartig auf russischem Gebiet. In der allgemeinen EU-Kriegsvorbereitung gegen Russland wäre dies ein herber Rückschlag. Aber allein der verfallene Zugriff auf Grund und Boden der Donbass-Region und das vollständige Abtreten ihrer Schwerindustrie im Osten an Russland sind Gründe den russischen Maximalforderungen nicht ohne weiteres zuzustimmen. Für die EU bzw. ihre nationalen Kapitale wäre daher die vollständige ukrainische Abtretung der Donbass-Region an Russland suboptimal. Die EU hat sich deshalb Anfang dieser Woche hinter die Trump-Forderung des Status-Quo gestellt. Ohnehin scheinen sich Washington und Brüssel in ihren Interessen in Bezug auf die Ukraine wieder anzunähern. Der Druck seitens EU, Deutschland, Frankreich und Co. auf Trump, bei den Gesprächen mit Selenskyj ein Wörtchen mitreden zu wollen, aber auch die eigenständigere finanzielle und militärische Unterstützung der Ukraine, haben auch für Washington den Spielraum zumindest teilweise verengt.
Schicksal der Ukraine liegt nicht beim ukrainischen Volk
Brüssel hatte erst vor kurzem bekannt gegeben, mit der Ukraine an einem 12-Punkte-Plan zur Umsetzung eines Friedens zu arbeiten. Dieser Plan ist ganz nach dem Vorbild des Trumpschen 20-Punkte-Plans zu verstehen. Auch in der europäischen Version soll ein sogenanntes Board zur Kontrolle des Friedens eingerichtet werden. Vorsitz des Gremiums soll in diesem Fall Donald Trump sein. Die Möglichkeiten einer solchen Umsetzung sind jedoch gering. Gegenüber den Planenden sitzt nicht die Hamas, sondern die Atommacht Russland.
Eines lässt sich mit Gewissheit vorwegnehmen. Die Ukraine, oder besser das ukrainische Volk hat 44 Monate Blutzoll für ihre eigene Unfreiheit geleistet. Nicht nur ist es die Besatzung der russischen Streitkräfte, die diese Gefangenschaft forciert. Alle äußeren Mächte, darunter auch die deutsche Bundesregierung sind nicht an der Freiheit des ukrainischen Volkes und seinem Wohlergehen interessiert. Sie sind an der Freiheit interessiert, ihren eigenen wirtschaftlichen und militärischen Interessen nachzugehen. Die anhaltende Hochrüstung der Ukraine bedeutet im Falle eines großen NATO-Krieges gegen Russland, dass das ukrainische Volk ihr bisheriges blutiges Schicksal weiterführen wird. Und doch formiert sich auch unter den breiteren Massen in der Ukraine Widerstand gegen die Selenskyj-Regierung, wenn auch nur unter innenpolitischen Vorzeichen. Ein Waffenstillstand würde zumindest kurzfristig dem sinnlosen Schlachten ein Ende setzen.




