Das Gesetz sollte noch weiter verschärft werden – jetzt sollen CDU und SPD eine Einigung gefunden haben. Der Plan ist, Wehrpflichtige auszulosen. Die Freiwilligkeit wird mit dem neuen Entwurf weiter eingeschränkt.
Warum das Hin und Her?
Um die Wehrpflicht besteht seit Jahren eine komplizierte Diskussion, die auch die Bevölkerung schwer durchblicken kann. Scheinbarer Konsens der Herrschenden ist, dass die Truppenstärke der Bundeswehr erheblich wachsen muss, damit Deutschland „den Herausforderungen der Weltlage“ gewachsen ist. Soll heißen: Um aktiver an kommenden Kriegen teilhaben zu können. Über das „wie?“ herrscht jedoch weiterhin Uneinigkeit. Dabei spielen logistische Überlegungen sicher eine Rolle, zum Beispiel, ob die Bundeswehr heute überhaupt in der Lage ist, so viele Wehrpflichtige auszubilden.
Doch ein nicht zu unterschätzender Faktor in dem Hin und Her ist nach wie vor auch die Akzeptanz in der Bevölkerung. Schließlich ist nach wie vor ein großer Teil der Jugend gegen die Wehrpflicht und die gesamte Militarisierung der letzten Jahre musste durch eine enorme Propaganda gerechtfertigt werden, um die Zustimmung in der Bevölkerung herzustellen. So forderte der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. zuletzt in seinem Positionspapier „Gesamtverteidigung stärken“ im Juni 2025 „einen Mentalitätswandel und ein gesellschaftliches Bewusstsein für die Risiken und Bedrohungen“. Sie hielten auch konkrete Aufgaben für die Bundesregierung fest: „Die Motivation der gesamten Bevölkerung zur Stärkung von Abschreckungsfähigkeit, Verteidigungsbereitschaft und Resilienz zählt zu den zentralen Führungsaufgaben der kommenden Legislaturperiode.“ Die Verfechter und Profiteure der Aufrüstung sind sich also durchaus bewusst, dass die Zustimmung zu ihren Kriegsvorbereitungen nach wie vor nicht stabil ist. Somit müssen die komplizierte Debatte und das Hin- und Her durchaus auch als ein „Austesten“ begriffen werden, was der Bevölkerung zumutbar ist.
Dass der erste Gesetzesentwurf zwar nach wie vor Unmut in der Jugend verursacht, jedoch keinen gesellschaftlichen Aufschrei oder eine Protestbewegung (wie es vor einigen Jahren noch deutlich denkbarer gewesen wäre) hervorgebracht hat, ist sicher auch ein Grund, dass Teile der CDU nach der Veröffentlichung des Entwurfs direkt nach Verschärfung riefen: Freiwilligkeit sei schön in Friedenszeiten, sie reiche aber nicht aus, um die notwendige Fähigkeit zur Abschreckung aufzubauen, sagte zum Beispiel der CDU-Außenpolitiker Kiesewetter. In diesem Sinne wurde der Entwurf nun auch überarbeitet.
Was will der neue Entwurf?
Das RedaktionsNetzwerkDeutschland (RND) beschreibt den neuen Entwurf als ein Losverfahren. Der verpflichtende Fragebogen wird nach wie vor alle jungen Männer erreichen. Aus denen wird dann ein Teil ausgelost und zu Gespräch und Musterung vorgeladen. Wenn dabei nicht genügend Soldaten rumkommen, soll ein mindestens sechsmonatiger Wehrdienst für den ausgelosten Teil sofort verpflichtend werden. Allein die benötigten Zahlen sollen noch festgelegt werden. Durch die Losung soll der Aufwand für die Bundeswehr für die Musterung in Grenzen halten und eine „Gerechtigkeit“ in der Auswahl suggeriert werden, wie es in anderen Ländern der Fall ist, zum Beispiel in Dänemark. Die Freiwilligkeit wird somit bereits im ersten Schritt des neuen Wehrdienstes erheblich eingeschränkt und nicht, wie im bisherigen Entwurf, erst zu einem späteren Zeitpunkt. Das Losverfahren entscheidet somit in Zukunft, wer Teil der Reserve der Bundeswehr wird und somit im Ernstfall auch über Leben und Tod. Nach wie vor behält das Gesetz die Option bei, Wehrpflichtige sofort einzuziehen, wenn die „verteidigungspolitische Lage einen schnellen Aufwuchs zwingend erfordert“ – wenn man die öffentliche Debatte verfolgt, kann dies also jederzeit passieren.
Dass der Entwurf verschärft wurde, bevor er überhaupt in erster Lesung in den Bundestag eingebracht wurde, muss für uns auch eine Aufforderung sein: Scheinbar ist der Protest aus der Gesellschaft bisher überschaubar. Solange das so ist, sind weitere Verschärfungen vorprogrammiert. Der Regierung in ihrer Kriegsvorbereitung Steine in den Weg legen können wir nur, indem wir den Preis für solche Schritte in die Höhe treiben. Das geht nur durch spürbaren Widerstand, der aufdeckt, wofür die Jugend hier eigentlich kriegstauglich gemacht wird – nicht für Verteidigung, sondern um Deutschland wieder zu einer „Führungsmacht“ zu machen.