„Wir sind das Stadtbild“

Am Wochenende gab es breite Proteste gegen Merz‘ rassistische Aussagen. Gleichzeitig äußern 60% der Bevölkerung in Umfragen Zustimmung.

Im Vergleich zu August 2024 wurden die Abschiebungen in Deutschland um 60% erhöht. Das reicht Kanzler Merz aber nicht – letzten Dienstag äußerte er darum den seitdem vielzitierten Satz: „Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.“

Einige Tage später wurde klar, wie kalkuliert diese Provokation war: Auf diese Aussage angesprochen bekräftigte Merz das Gesagte noch einmal und forderte den Journalisten auf: „Fragen Sie mal Ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte. Ich vermute, Sie kriegen eine ziemlich klare und deutliche Antwort“.

Warum das alles?

Doch warum diese Aussagen, bei denen Merz doch klar sein muss, dass sie für einen Aufschrei sorgen? Der Zeitpunkt kommt eigentlich ganz gelegen: Noch vor einer Woche beriet die CDU in einer Klausurtagung über ihren Umgang mit der AfD im Zuge der Landtagswahlen. Dabei bekräftigte Merz, dass es mit ihm keine Regierung mit der AfD geben wird und bezeichnete diese als „Hauptgegner“. Damit meint er aber keineswegs, die AfD und ihren Rassismus dadurch zu bekämpfen, dass man sie entlarvt. Das Kalkül der CDU ist es offensichtlich, der AfD das Wasser abzugraben, indem ihre Forderungen und der offene Rassismus einfach übernommen werden. Die „Stadtbild“-Aussage ist nur eines von zahlreichen Beispielen für diesen Versuch.

Warum stimmen so viele Menschen Merz zu?

Das ZDF Polit-Barometer ergab jedoch kurz nach der Aussage, dass 62% der Befragten meinten, Merz habe mit seiner Aussage Recht. Wie kann das sein? Das perfide an der Formulierung ist ja grade, dass sie sehr vage ist. Mit einem „Stadtbild“ kann alles gemeint sein – zu viele migrantisch aussehende Personen auf den Strassen, aber auch eine hohe Kriminalität oder ein individuelles Unsicherheitsgefühl. Und dass es in unseren Städten viele Probleme gibt, das kann nicht geleugnet werden: Obdachlosigkeit, Drogenkonsum, Kriminalität und Perspektivlosigkeit prägen gerade die Hauptstädte tatsächlich. Das perfide an Merz‘ Aussage ist ja gerade, dass ein reales Problem aufgegriffen und mit einem hohen Migrationsanteil begründet wird- anstatt die tatsächlichen Verursacher beim Namen zu nennen. Denn es ist ein kaputtgespartes Sozialsystem, ein skandalöser Wohnungsmarkt und steigende Armut, die unsere Städte prägen, und diese sind verursacht von Regierung nach Regierung, die Politik für das Kapital machen. Allen voran Merz und sein „Herbst der Reformen“ werden ihre Spuren in unseren Städten hinterlassen, wenn Bürgergeld-Empfänger ohne Hemmung aus ihren Wohnungen geschmissen werden dürfen und die Auffangstellen aufgrund von fehlenden Mitteln geschlossen werden.

Dass Migranten und besonders Geflüchtete häufiger in prekäre Lagen gezwungen sind erlaubt es Politikern wie Merz, die diese Lage überhaupt erst verursachen, sie damit in Verbindung zu setzen und als Sündenböcke und Verantwortliche für diese Lage darzustellen.

„Wir sind das Stadtbild“

Doch Merz hat seine Antwort bekommen: In ganz Deutschland gingen am Wochenende zehnttausende Menschen auf die Strassen! „Wir sind die Töchter“ oder „Wir sind das Stadtbild“: Unter diesen Mottos zeigten die Menschen, dass sie nicht auf die Spaltungsversuche hereinfallen. 10.000 Hamburg, 5.000 in Köln, jeweils hunderte Leverkusen, Hildesheim, Lübeck, Regensburg, Würzburg, Augsburg, Bonn, Bochum, Aachen, Tübingen oder Magdeburg, 2.000 in Hannover, 2.000 in Bremen, 2.000 in Kiel. Weitere Demonstrationen sind für die nächsten Tage angesetzt – zum Beispiel in Frankfurt am Main am 29. Oktober und in München am 2. November. Setzen wir weiterhin ein starkes gemeinsames Zeichen: Wir lassen uns nicht spalten!