Fünf Tage lang wurde mit 500 Soldaten der Krieg erprobt: Militärhubschrauber flogen über die ganze Stadt, Kriegsschiffe fuhren durch den Hafen und zusätzlich wurde auch geübt, wie man künftige Friedensproteste brechen kann.
Hamburg soll kriegstüchtig gemacht werden und das bedeutet konkret, dass Hamburg zur Drehscheibe für die NATO werden soll. Die Truppenverlegung in den Osten und Waffenlieferungen im Kriegsfall werden erprobt.
Die ganze Stadt soll Krieg spielen
Mit 500 Soldaten, Polizei, Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk, der HPA, der Innenbehörde, Unternehmen wie HHLA, Airbus und Blohm + Voss wurden neben der Bundeswehr auch Bereiche des zivilen Lebens mobil gemacht für die Übung. Der Hamburger Hafen und seine Unternehmen sollen militarisiert werden. Nach dem jüngst die Ankündigung von Rheinmetall-Chef Papperger kam, Blohm + Voss zu einer Schlüsselwerft machen zu wollen, wird deutlich, dass dafür nicht erst auf den Kriegsfall gewartet werden muss.

Kriegsfall heißt Arbeitszwang
Besonders heraus sticht jedoch die Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit, im Kriegsfall erhält sie durch das „Arbeitssicherstellungsgesetz“ weitreichende Befugnisse, um Menschen zum Dienst zu verpflichten. So sieht das Gesetz vor, dass Männer ab 18 Jahren zu Arbeiten in der Rüstung, Logistik oder Versorgung gezwungen werden, während Frauen in Krankenhäusern und Lazaretten verpflichtet werden sollen.
Arbeitsrechte, wie Kündigungsrechte, können ausgesetzt werden, denn im Kriegsfall ist die herrschende Klasse darauf angewiesen, dass die Arbeiter ihre Arbeit nicht aufgeben dürfen. Das drückt sich ebenfalls darin aus, dass bei Verweigerung Strafen vorgesehen sind, im Zweifel bis zu einem Jahr Freiheitsentzug.
Die Mitarbeitenden der Agentur für Arbeit sind diejenigen, die das Gesetz ausführen müssen. Am Mittwochmorgen vor dem Manöver wurde mit einigen Kolleginnen und Kollegen gesprochen. So stellten viele klar, dass sie sich prinzipiell für den Frieden aussprechen würden, aber die Verteidigungsfähigkeit derzeit wichtig sei, um Putin zu stoppen. Trotz dessen äußerte eine Kollegin Sorge darüber, dass ihre Enkel an die Front müssten. Es zeigte sich auch Resignation gegenüber der Situation. So berichtete ein Mann, der einen Termin beim Arbeitsamt hatte, dass er gegen das Manöver sei, aber Widerstand nichts verändern würde und eine Kriegsbeteiligung notwendig sei, um nicht als Verlierer dazustehen. Ein Kollege äußerte, dass Krieg immer die falschen treffe, und die Politiker dafür verantwortlich gemacht werden müssten.
Zugleich sprachen sich sowohl einige für Frieden und Pazifismus aus, während andere die Aufrüstung lobten, was zeigt, wie gespalten die Belegschaft in einer solchen Frage ist.

Was denkt Hamburg zum Manöver?
Im Zuge des Manövers gab es verschiedene Protestaktionen. Bereits am Donnerstagabend versammelten sich rund 250 Teilnehmende bei einer Kundgebung gegen das Manöver.
Beim Gespräch mit Passanten auf der Veddel, einem Stadtteil, in dem die Militärhubschrauber sehr präsent waren, stellte sich heraus, dass einige Hamburgerinnen und Hamburger nichts vom Manöver mitbekommen hatten. Selbst vor Betrieben, die unmittelbar im Hafen liegen, wie Blohm + Voss, die selbst bald von Rheinmetall übernommen werden sollen, reagierten viele Arbeiter überrascht. In den Schulen wurde das Thema aufgegriffen, um die Schülerinnen und Schüler zu informieren. Auf Protestaktionen reagierten viele positiv. Ein Student äußerte seine Bedenken zur „Kriegsspielerei“ und betonte den provokativen Aspekt dessen. Ein anderer Kollege kritisierte die Öffentlich-Rechtlichen in ihrer Berichterstattung und die hohe Aufrüstung: „Ich glaube nur, dass die da so viel Geld reinpumpen, das läuft alles über Kontakte.“
In Gesprächen mit Passanten in Altona positionierten sich zwei Azubis nicht nur gegen das Manöver, sondern auch gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Ein anderer berichtete, er hätte keine Kraft, sich damit zu beschäftigen, er habe nicht einmal genügend Geld zum Essen. Ein anderer Passant sagte, dass er zwar selbst nicht begeistert vom Manöver sei, es jedoch in der momentanen Sicherheitslage notwendig sei. Es gab auch Reaktionen, die wütend wurden, weil der Protest falsch sei und die Verteidigungsfähigkeit heute das Wichtigste sei.
Am Freitagabend fand eine weitere Demonstration gegen das Manöver statt. Unter dem Motto „Keine Kriegsübung in unserer Stadt“ riefen verschiedene Gruppen wie der VVN-BdA Hamburg, die IL Hamburg, die DIDF und die LINKE Hamburg auf. Mit über 2000 Teilnehmenden war es der größte Protest während des Manövers. Auf den Transparenten und Plakaten waren Aussprüche wie „Nicht unser Krieg“ oder „Nein zu Sozialabbau, Aufrüstung und Krieg“ zu lesen. Die Demonstration war von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet, inklusive Wasserwerfern. Passanten berichteten, sie dachten, es hätte sich um eine Übung der Bundeswehr gehandelt, aufgrund der enormen Sicherheitsvorkehrungen. Neben der inszenierten Demonstration zur Übung schien das Polizeiaufgebot einen Vorgeschmack zu bieten für die Abwehr von Protesten im Kriegsfall.
Auf meinem Nachhauseweg auf der Veddel war ich irritiert von den Helikoptern. Ich wusste zwar, dass die Übung stattfindet, aber nicht, was direkt vor meiner Haustür passiert. Aus Interesse bin ich den Deich raufgegangen und hab gesehen, dass im Hintergrund ein Schauspiel aus Blaulicht stattfand. Ich erwartete, weggeschickt zu werden. Ich konnte aber problemlos dahin, fotografieren und mit den Leuten ins Gespräch kommen.
Ein Augenzeuge
Von der Polizei waren fünf bis sechs Mann vor Ort, weitere Streifenfahrzeuge und etwa 30 bis 35 Motorräder, dazu noch diverse Feldjäger. Ich dachte erst, es sei ein richtiger Protest, bis mir wieder eingefallen ist, dass auch einer simuliert wird. Es war ein Schauspiel: Die Polizei war zwar vollständig ausgerüstet, aber die Helme wurden nicht getragen, die Schlagstöcke waren nicht im Anschlag, es gab keinerlei Aggressionen. Drum herum standen auch ganz viele Pressevertreter mit Kameras, da wurde sich richtig darüber gefreut, dass man sowas mal ablichten kann. Aber das war kein Zufall, denn die Bundeswehr hat einen Reisebus zur Verfügung gestellt, um die ganzen Journalisten dorthin zu bringen. In den Artikeln am nächsten Tag ging es auch weniger um diese Übung, sondern eher um die wunderbare Kooperation von Polizei und Bundeswehr. Es stellt sich also die Frage, inwiefern diese Übung wirklich einen internen Zweck hatte oder ob es eher ein Signal nach außen senden sollte.
In einem Gespräch mit einem Offizier wurde vor allem die Position vertreten, dass es jetzt gerade erst notwendig sei, so etwas zu üben und dass es notwendig sei in aktuellen Zeiten, denn man sehe ja, was an der Ostflanke passiere und dass die Nato immer wieder von Russland provoziert werde.
Am Samstag um 13:00 fand eine weitere Demonstration statt, diesmal unter dem Motto „NEIN zur NATO-Kriegsübung Red Storm Bravo – JA zur zivilen Entwicklung“. Zu den Rednern zählte unter anderem Norman Paech: „Wir wollen keine NATO-Übungen in dieser Stadt, wir wollen Verhandlungen für eine Zukunft, in der auch Russland unser Nachbar sein kann.“ sprach er zu den rund 1000 Demonstranten. Rolf Becker, Schauspieler und Friedensaktivist, sagte, wenn der Militarismus für den nächsten Krieg rüstet, brauche er die Zustimmung der Bevölkerung. Umso wichtiger sei es, dass jeder einzelne „Nein!“ sage. Demonstrantinnen aus der Pflege riefen: „Krankenpfleger statt Düsenjäger!“
Die Stimmungsmache wirkt
In den Tagen des Manövers zeichnete sich ab, dass sich durchaus Gegenprotest formierte. Vielen Menschen, ganz unterschiedlichen Alters, machte das Manöver Angst. Doch überwog im Gespräch häufig die Angst vor einem möglichen Kriegsfall und der daraus entstehenden Notwendigkeit zur Verteidigung. Das zeigt, wie die Kriegstreiber Deutschlands die Jugend und die Arbeiterinnen und Arbeiter hinter ihre Politik stellen wollen. Umso wichtiger bleibt es, ihre Lügen zu entlarven und den Protest und die Friedensbewegung zu stärken.