Asylrecht am Abgrund

Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) trat im Juni 2024 in Kraft und umfasst zahlreiche Verordnungen zur Verschärfung der Asylgesetze aller europäischen Mitgliedsstaaten.

Die Umsetzung in den jeweiligen Ländern soll bis 2026 abgeschlossen sein sollen. Rund ein Jahr später präsentierte nun die Bundesregierung im September 2025 einen Gesetzesentwurf, um die GEAS-Reform in nationales Recht umzusetzen. Mit dem geplanten Gesetz entspricht Deutschland nicht nur den europäischen Vorgaben der GEAS-Reform, sondern findet darin gleichzeitig einen passenden Hebel, um noch schärfere Regelungen gesetzlich zu verankern.

Gemeinsame europäische Abschottung

Das Gemeinsame Europäische Asylsystem existiert bereits seit 2013 – mit dessen Reform im Jahre 2024 manifestierte sich europaweit die größte Asylrechtsverschärfung seit den letzten 30 Jahren. Kernstück der GEAS-Reform sind insgesamt elf Rechtsakte, um in allen Bereichen der Asylgesetze eine noch brutalere Abschiebepraxis zu forcieren und das Recht auf Asyl faktisch abzuschaffen. So sieht zum Beispiel die sogenannte „Screening-Verordnung“ vor, dass es für Asylsuchende innerhalb von sieben Tagen verpflichtend ist, ein „Screening“ zu durchlaufen – darunter zählen jegliche Feststellungen zur Identität, Gesundheitsdaten, sogenannte „Sicherheitschecks“ und die Speicherung der Fingerabdrücke. Sollte dieses „Screening“ nicht vollständig oder fristgemäß stattfinden, soll die „Rückführung“ bereits an den EU-Außengrenzen eingeleitet werden. Biometrische Daten sind damit verpflichtend für Personen und Kinder ab sechs Jahren zu erfassen, zu speichern und allen europäischen Mitgliedsstaaten über die sogenannte EURODAC-Datenbank zugänglich zu machen. Um „Rückführungen“ zu erleichtern, ist darüber hinaus jeder Mitgliedsstaat in der Lage, Asylsuchende in sogenannte „sichere“ Drittstaaten abzuschieben – während gleichzeitig die Anforderungen an die Einordnung als sicherer Drittstaat deutlich herabgesenkt werden sollen. Menschen aus Herkunftsländern, denen im europäischen Durchschnitt in weniger als 20 Prozent der Fälle eine Flüchtlingsanerkennung oder ein subsidiärer Schutz zugesprochen wird, sollen ein beschleunigtes Grenzverfahren durchlaufen, sodass letztlich die Statistik darüber entscheidet, ob Asylsuchende in Elend und Tod zurückgeschickt werden können. Auch an den Regelungen der „Dublin-Verordnung“ wird festgehalten, nach denen der Staat der ersten Einreise für das Asylverfahren der Schutzsuchenden zuständig ist. Damit soll insbesondere verhindert werden, dass Asylsuchende in einem „Wunschland“ ihren Asylantrag stellen können und „freizügig“ in der Europäischen Union „reisen“ können – sollte dieser nicht in dem Land beantragt worden sein, in dem die Personen in die EU eingereist sind, gilt er als ungültig.

Auf die GEAS-Reform folgte im Jahre 2024 insbesondere von verschiedensten Menschenrechtsorganisationen massive Kritik und Proteste. So ordnet das Institut für Menschenrechte die Reform als Aushöhlung des Flüchtlingsschutzes ein, obwohl bereits jetzt Asylsuchende mit massiven traumatischen Erfahrungen über mehrere Wochen in gefängnisähnlichen Lagern an den EU-Außengrenzen untergebracht werden. Mit der GEAS-Reform schafften die EU-Mitgliedsstaaten ein System, was auf Abschottung, Kontrolle und massenweise Abschiebungen ausgerichtet ist. Mit den Anforderungen zu den sogenannten „beschleunigten Asylverfahren“ wird das individuelle Recht auf Asyl faktisch außer Kraft gesetzt.

Deutschland schießt übers Ziel hinaus

Unter dem Motto „All das und noch viel mehr“ machte sich nun die Bundesregierung an den Gesetzesentwurf „zur Anpassung des Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“. Innenminister Dobrindt betonte bereits, dass er die Reform „noch härten und schärfen“ wird. Und so sind nun weitere Asylverschärfungen auf dem Weg, die Deutschland nach den europäischen Vorgaben eigentlich gar nicht umsetzen müsste. Alle biometrischen und personenbezogenen Daten von Asylsuchenden sollen nun bereits bei der ersten polizeilichen Erfassung an die EU-Datenbank übermittelt werden, noch bevor überhaupt ein Asylantrag gestellt worden ist. Darüber hinaus sehen die deutschen Regelungen massive Sanktionen vor: Sollten bestimmte Pflichtangaben nicht erfüllt werden, droht eine sofortige Ausreiseanordnung. Das „Herzstück“ des geplanten Asylgesetzes: Die Einrichtung von sogenannten Aufnahmeeinrichtungen zur Durchführung von Asylverfahren, geschlossene Zentren und Haft für Kinder. Dabei soll es zur Regel werden, dass es Asylsuchenden untersagt wird, zu gewissen Zeiten insbesondere abends und nachts die Asyleinrichtungen zu verlassen. Unterstellt wird dabei eine „Fluchtgefahr“, wodurch Asylbewerbern ein faktischer Freiheitsentzug auferlegt wird. Selbst Minderjährige dürfen nach dem Gesetzesentwurf in § 70a Abs. 3 AsylG-E inhaftiert werden, wenn dies „ihrem Wohl dient“. Da Asylsuchende vor der Entscheidung über das Asylverfahren als nicht eingereist gelten, ist zudem vorgesehen, sie bis zu zwölf Wochen in Haft nehmen zu können, bis über den Antrag entschieden worden ist. Auch der juristische Umgang mit Asylverfahren soll geändert werden: Während früher gegen eine Abschiebeanordnung Widerspruch eingelegt werden konnte und dieser dazu geführt hat, dass die Abschiebung nicht vollzogen werden durfte, solange ein Gericht nicht darüber entschieden hatte, fällt diese Regelung nunmehr weg. Asylsuchenden soll damit jeglicher übrig gebliebene Rechtsschutz verwehrt werden, was zu einer faktisch schutzlosen Auslieferung jener an die deutschen Staatsapparate führt. Das Kabinett stimmte dem Entwurf von Innenminister Dobrindt bereits zu und die Bundesregierung prahlte in ihrer europäischen Vorbildrolle, all diese Regelungen bereits vor 2026 umsetzen zu wollen.

Der Hebel der Migration

Während bereits seit Beginn des Jahres massive Abschiebungen durchgezogen werden, schafft es die Bundesregierung mit jenem geplanten Gesetz, Asylsuchende auf brutalste Weise unter Kontrolle zu halten, die deutschen Grenzen abzuschotten und Migranten anhand ihrer Arbeitsverfügbarkeit auslesen zu können. Ideologisch untermauert wird diese brutale Praxis mit massiver Hetze gegen Migranten, nicht zuletzt durch die Aussage vom Bundeskanzler Friedrich Merz darüber, dass Migration ein „Problem im Stadtbild“ darstellt und es in Zukunft Einwanderung nur für unsere Arbeitsmärkte bräuchte. Mit der Umsetzung der GEAS-Reform findet die deutsche Bundesregierung fast schon im Verborgenen eine passende Möglichkeit, um die Migration nach den Interessen des Kapitals zu steuern und ihre Ausbeutung zu maximieren. In den neuen Regelungen, der Hetze und der Kriminalisierung von Migranten findet die Spaltung ihre konkrete Erscheinung – dagegen gilt es, sich wie bei den Protesten nach den Aussagen von Friedrich Merz zu wehren und konsequenter denn je die Einheit zu stärken. Denn jene sind nicht nur lediglich aufgrund von Menschenrechten oder Humanität verwerflich, sondern stellen für das Kapital einen zentralen Mechanismus der Verschärfung der Ausbeutung und der Spaltung dar, der uns alle trifft und den es zu entlarven gilt.