Bis in die Nacht hinein wurde in der nordwestdeutschen Stahlindustrie um den Tarifvertrag zwischen der Gewerkschaft IG Metall und dem Arbeitgeberverband Stahl verhandelt. Die IG Metall ist in die Tarifrunde eingestiegen ohne bezifferte Forderung. Die Begründung hierfür ist die Situation der deutschen Stahlindustrie. Im IG Metall Tariftalk zur vierten Verhandlungsrunde behauptet der Bezirksleiter Knut Geisler, dass es in der Stahlindustrie ein sehr gutes sozialpartnerschaftliches Verhältnis gebe und man erkenne an, dass die politischen Rahmenbedingungen nicht gesetzt sind. Das bedeute auch, dass es kein Sinn mache sich mit den Arbeitgebern auf der Straße zu kloppen und genau aus diesem Grund sei es auch wichtig, noch in Friedenspflicht zu einem Ergebnis zu kommen. Diese ausgestreckte Hand hätte die Gegenseite erst sehr spät gemerkt.
Das Verhandlungsergebnis sieht folgendes vor:
– 15 Monate Laufzeit
– Ab dem 01.01.2026 gibt es 1,75 Prozent mehr
– Für die Azubis gibt es 75 Euro mehr
Zum Vergleich: So gingen Arbeitgeberverband und IG Metall in der dritten Verhandlungsrunde am 22. September auseinander:
Arbeitgeber boten 1,2 Prozent ab 01.01.2026 mit 16 Monate Laufzeit
Die IG Metall verlangten 2 Prozent und 300 Euro Einmalzahlungen auf 12 Monate Laufzeit
Die IG Metall ging mit der Forderung nach Reallohnsicherung in die Verhandlung – bei genauem Hinsehen zeigt sich, dass auch das nicht gegeben ist. Schließlich führt in Zeiten von 2,4 Prozent Inflation für September (laut Statistischem Bundesamt) 1,75 Prozent Lohnsicherung keineswegs zu Reallohnsicherung. Auch die drei Monate ohne Steigerung, bis die Erhöhung in Kraft tritt, führen zu weiteren Verlusten.
Vom Brückenstrompreis zu Tarifrunden ohne bezifferte Forderungen
Das, was Knut Giesler im Tariftalk als ein gutes sozialpartnerschaftliches Verhältnis beschreibt, ist durchaus von Vorteil, aber nur für eine Seite. Die IG Metall fährt nämlich seit einigen Jahren in der Stahlindustrie durch und durch Arbeitgeberpolitik. Die Forderung nach einem Brückenstrompreis, der den Strompreis für die energieintensive Industrie deckeln soll, ist nur ein Beispiel. Dafür ist sie sich auch nicht zu schade, tausende Beschäftigte hinter solche Kapitalforderungen zu manövrieren. Denn die Argumentation ist sehr einfach: Entweder die Beschäftigten in der Stahlindustrie verzichten oder sie werden ihre Jobs verlieren
Die Wahrheit ist: Die Arbeitgeber holen zu breiten Angriffen aus, wenn ihnen das profitabel erscheint. Auch der Verzicht der Beschäftigten in dieser Tarifrunde wird keinen Job in der Stahlindustrie sichern. Zumal beispielsweise bei Thyssenkrupp Steel schon 27.000 Beschäftigte auf 8 Prozent ihres Lohns verzichten und damit die Zeche für die Profitmaximierung der deutschen Stahlkonzerne zahlen.
Nun werden Gewerkschaft und Arbeitgeberverband gemeinsam in den kommenden Tagen in Brüssel und Berlin für die Konkurrenzfähigkeit des deutschen Stahls sich stark machen. Bis dann im nächsten Stahlwerk Massenentlassungen angekündigt werden, wütende Statements der IG Metall geteilt werden und die nächste Krise auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden soll.