So lautete die Ansage der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Bärbel Bas (SPD). Vor wenigen Tagen einigten sich CDU und SPD, dass das Bürgergeld in den kommenden Monaten zur sogenannten „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ umgebaut wird. Damit löst die neue Grundsicherung das erst vor zwei Jahren in Kraft getretene Bürgergeld ab und bringt umfassende Sanktionen, Einschüchterungen und Einschnitte mit sich, die ein selbstbestimmtes Leben weiter ins Unmögliche treiben. Was als Reform bezeichnet wird, erinnert nicht nur an das alte Hartz IV-System, sondern übertrifft es sogar.
War beim Bürgergeld alles gut?
Das Bürgergeld stand seit dessen Einführung im Jahre 2023 seitens des Kapitals massiv unter Beschuss. Es wäre zu „großzügig“ und würde dazu einladen, nicht arbeiten zu gehen – und das auf Kosten des Sozialstaates. Doch bereits das Bürgergeld sah unzureichende Regelsätze und Sanktionen vor. Der Regelsatz für Alleinstehende betrug zuletzt 563 Euro und die Kosten für eine Unterkunft und die Heizung wurden nur in der Höhe übernommen, sofern sie „angemessen“ waren. Dabei wurden in der alltäglichen Jobcenter-Praxis Mietpreise herangezogen, die fernab von den tatsächlichen und immer weiter steigenden Kosten für eine Unterkunft lagen und in Städten faktisch kaum noch existieren. Darüber hinaus konnten sogenannte „Mehrbedarfe“ angerechnet werden. Diese betreffen insbesondere „zusätzliche“ Kosten, wie eine Erstausstattung der Wohnung oder solche, die schwangere Frauen für die Schwangerschaft oder Geburt benötigen. In der Praxis bedeutet das, dass Frauen für das Kinderbett, einen Kinderwagen oder Nahrung für Neugeborene einen Antrag beim Jobcenter stellen müssen, um eine Chance darauf zu haben, dass die Kosten gedeckt werden. Beim Jobcenter wurde sich dann überlegt, ob diese Ausgaben tatsächlich notwendig seien oder ob auf die ein oder andere Ausstattung nicht doch lieber hätte verzichtet werden können. Als Bürgergeldempfänger (beim Jobcenter werden jene übrigens als „Kunden“ bezeichnet) bedeutete das vor allem eins: Tägliche Kontrolle über grundlegende Bedürfnisse und eine ständige Angst darüber, ob man am Ende auf den Kosten sitzen bleibt, seine Wohnung verliert und sich Nahrungsmittel nicht mehr finanzieren kann. Auch beim Bürgergeld wurden bereits Sanktionen durchgesetzt, die sich nach einem Drei-Stufen-Prinzip gerichtet haben. Nach § 31 des zweiten Sozialgesetzbuches wurde beim ersten Verstoß gegen eine sogenannte „Pflichtverletzung“ für die Dauer von einem Monat 10 % des Regelbedarfs gekürzt, beim zweiten Verstoß für die Dauer von zwei Monaten 20 % und beim dritten für die Dauer von drei Monaten 30 %. Zu den Pflichtverletzungen zählen dabei z.B. die Ablehnung oder der Abbruch einer Arbeit oder einer Maßnahme wie Weiterbildung, wenn jemand sich nicht an die vorgeschriebenen Regelungen hält, wie viele Bewerbungen zu schreiben sind oder wenn ein Termin versäumt wurde. Selbst die sogenannte „fehlende Mitwirkung“, also das fehlende Einreichen eines einzigen Kontoauszuges oder des Mietvertrages führt damit zu Sanktionen. Nicht zu vergessen sind dabei die Hürden, die Arbeitslose bestreiten müssen, um Bürgergeld überhaupt erhalten zu können. Denn der Antrag auf Bürgergeld waren nicht lediglich einige wenige Blätter, sondern beinhalteten zuletzt rund 50 deutschsprachige Seiten Papier samt Zusatzblättern sogar zur Abfrage der Migrationsgeschichte, die für die Leistungsbeziehung völlig irrelevant sind und für die Führung von Statistiken zur freiwilligen Abfrage dienen. Doch so kommt es in der Praxis nicht selten vor, dass das Jobcenter bei nicht ausgefüllten freiwilligen Angaben ein Schreiben zurückschickt, dass die Leistungen nicht berechnet werden können, weil Unterlagen fehlen würden, die es rechtlich jedoch eigentlich gar nicht braucht.
Was die neue Grundsicherung vorsieht
Mit der neuen Grundsicherung wird all das nicht nur weiter verschärft, sondern treibt die Disziplinierung getreu dem Motto „Wer nicht mitmacht, wird es schwer haben“ auf die Spitze: Wird ein Termin beim Jobcenter zum zweiten Mal versäumt, werden die Regelsätze nun direkt auf 30 % gekürzt. Beim dritten versäumten Termin kommen weitere 30 % drauf und beim vierten Termin werden alle Leistungen gestrichen. Sollte man innerhalb des nächsten Monats nicht beim Jobcenter erscheinen, werden sodann die Kosten für Miete und Heizung gestoppt. Wird eine Arbeitsaufnahme jeglicher Art verweigert, sollen auch dann die Geldleistungen komplett eingestellt werden. Dies gilt selbst dann, wenn z.B. Frauen aufgrund der Sorgearbeit oder Kindererziehung jener Tätigkeit nicht nachgehen können. Es besteht damit ein direkter Zwang, jede Tätigkeit auszuüben, um bei der Profitmaximierung der deutschen Konzerne mitzuwirken. Damit nicht genug, soll auch die sogenannte Karenzzeit abgeschafft werden. Wo beim Bürgergeld Vermögenswerte von bis zu 40.000 € in einem Übergangszeitraum von bis zu zwölf Monaten also nicht berücksichtigt werden durften, wird bei der neuen Grundsicherung das gesamte Vermögen bereits ab dem ersten Monat des Leistungsbezuges berücksichtigt. Auch bei den Kosten für die Unterkunft, wo bisher eine zwölfmonatige Schonfrist galt, in der die Angemessenheit in dieser Zeit fingiert wurde, entfällt nun komplett. Damit werden die Wohnkosten sofort bei der Antragstellung angerechnet und es bleibt faktisch keine Zeit mehr, eine günstigere Wohnung finden zu können – diese Regelungen hat nicht einmal das damalige Hartz VI geschafft. Jedes ersparte Geld wird nun also direkt abgezogen und die Mietkosten müssen selbst getragen werden, wenn sie nicht der Angemessenheit entsprechen. Mit den Sanktionen zur Leistungskürzungen kommt die neue Grundsicherung nun selbst an die Grenzen der bürgerlichen Demokratie. Während das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2019 entschieden hat, dass Sanktionen nur in Höhe von Kürzungen bis zu 30 % verfassungskonform sind, stellt sich jetzt die Frage, wie die Kürzung von 100 % mit dem sogenannten „Recht auf ein Existenzminimum“ vereinbar sind. Das Recht auf ein Existenzminimum wird in Deutschland aus dem Grundgesetz, insbesondere der Menschenwürde, hergeleitet und besagt, dass jede Person ein menschenwürdiges Leben führen können muss, die grundlegenden Bedürfnisse des Lebens und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben abgesichert sein sollen. Und so ist es dieses Recht, was die Gerichte abwägen müssen, wenn es über Regelungen wie aus dem oben genannten Urteil zu entscheiden hat. Was uns damit als Herzstück des Sozialstaates präsentiert wird, ist letztendlich nichts anderes als ein allgemeines und abstraktes Recht, woraus sich jedoch kein individueller Anspruch auf konkrete ökonomische Sicherheit ergibt. Der individuelle Anspruch auf die tatsächliche Zahlung eines Existenzminimums kann sich nur aus den Regelungen wie der Grundsicherung ergeben – und solange über die damit sehr dehnbare Verfassungswidrigkeit nicht entschieden worden ist, wird diese Praxis sehenden Auges durchgezogen werden können. Die neue Grundsicherung ist dabei also kein Mittel, um Existenzen zu sichern, sondern ein Instrument der Disziplinierung und der Kontrolle über die lohnabhängigen Massen. Friedrich Merz und Carsten Linnemann (CDU) propagierten bereits vor einigen Monaten, durch eine Reform des Bürgergeldes im zweistelligen Milliardenbereich einsparen zu können. Doch nun räumte Bärbel Bas diesbezüglich selbst ein, dass die Reform des Bürgergelds „keine großen Einsparungen“ bringen wird – ihrer Schätzung nach könnte eine Msilliarde eingespart werden, wenn 100.000 Menschen durch die Reformen „ins Arbeiten kämen“. Während also die Staatsapparate wie Jobcenter und die Bundesagenturen für Arbeit mit Untätigkeitsklagen beschmissen werden, weil sie es schlichtweg explizit unterlassen, Arbeitslosen ihre Leistungen anzuerkennen geschweige denn auszuzahlen, werden sie jetzt darauf wittern, bei jedem kleinsten „Fehltritt“ den Strick anzuziehen und der Arbeiterklasse deutlich zu machen, wie einfach sie durch jene Mechanismen in Armut und Obdachlosigkeit geworfen werden können, während das Kapital von der Disziplinierung und der ständigen Verfügbarkeit der Arbeitskraft profitiert.