Der Plan schiebt einen eigenständigen palästinensischen Staat auf die lange Bank, spricht vor allem Israel Sicherheitsgarantien zu und gewährt imperialistischen Staaten wie den USA oder Deutschland sowohl Zugang zu Handelsrouten, Märkten und Ressourcen als auch neue Investitionsmöglichkeiten. Die erste Phase des Plans ist bereits eingeleitet worden. Was ist bisher passiert und welche Rolle spielt Deutschland bei dem Ganzen?
Geiseln werden ausgetauscht
Gestern wurden die 20 noch lebenden Geiseln befreit, an das Rote Kreuz übergeben und nach Israel gefahren. Im Gegenzug soll Israel innerhalb einer Frist von 72 Stunden circa 2000 palästinensische Gefangene freilassen. Zwar wird in den Medien zwischen israelischen Geiseln und palästinensischen Gefangenen unterschieden, faktisch handelt es sich jedoch auch bei den palästinensischen Gefangenen um Geiseln, größtenteils Personen, die im besetzten Westjordanland auf Grundlage des sogenannten Administrativrechts festgenommen worden sind. Das Administrativrecht ist Ausdruck der staatlichen Gewalt gegenüber den Palästinensern. Es erlaubt, Palästinenser ohne Gerichtsverfahren für sechs Monate, zwölf Monate oder einen längeren Zeitraum ohne Gerichtsverfahren zu inhaftieren. Auf der Liste stehen zudem 250 Namen, die für den palästinensischen Befreiungskampf eine zentrale Rolle spielen, darunter Marwan Barghouti. Bei einigen dieser Namen, die im Aktenzeichen geschwärzt und mit dem Code 99-99-9999 auftauchen, weigert sich die israelische Regierung weiterhin, sie freizulassen. Es ist eine Vorsichtsmaßnahme der rechtsradikalen und zionistischen Regierung Netanjahus, den palästinensischen Widerstand weiterhin zu brechen. Wichtige Figuren, die den palästinensischen Widerstand organisieren könnten, bleiben in Haft.
Donald Trump vor der Knesset
Bevor Trump nach Ägypten flog, stattete er seinem engsten Verbündeten im Nahen Osten, Israel, einen Besuch ab und ließ sich als vermeintlicher “Friedenspräsident” feiern. Und so erhielt Donald Trump von Netanjahu die goldene Friedenstaube. Netanjahu, ein Kriegsverbrecher, händigt Trump, der im eigenen Land eine rassistische Hetzkampagne gegen Hunderttausende führt und durch dessen politische Rückendeckung und Waffenlieferungen zehntausende Palästinenser ermordet worden sind, eine der höchsten Auszeichnungen aus. Man könnte meinen, als Ersatz für den von Donald Trump ersehnten Friedensnobelpreis. Die Übergabe der goldenen Taube und die Lobrede in der Knesset zeigen Geschlossenheit zwischen Trump und Netanjahu. Es zeigt sich, dass beide Hand in Hand gehen bei der Gestaltung des Nahen Ostens gehen. Beide teilen eine Vision von einer “großartigen Region” und einem “neuen Nahen Osten.” Die USA wollen einen Nahen Osten, in dem sie eine starke Rolle spielen und sich gegen die Konkurrenten durchsetzen. Allen voran gegenüber China, das zunehmend an Einfluss in der Region gewinnt, insbesondere mit der Neuen Seidenstraße. In Gaza wollen die USA mit europäischen und arabischen Verbündeten ihren Einfluss erweitern. Zum einen durch die politische Kontrolle dadurch, dass ein installiertes Komitee den Gazastreifen regieren soll. Dieser steht wiederum unter Kontrolle des Friedensrats, in dem Donald Trump und Tony Blair den Vorsitz übernehmen sollen. Letzterer ist unter anderem berüchtigt durch die Kriegsverbrechen, die Großbritannien unter ihm im Irak-Krieg begang. Zum anderen verschaffen sich die imperialistischen Mächte dadurch einen Zugang zu Handelsrouten, Absatzmärkten und Ressourcen. Dazu sagt Trump: “Gaza wird in den kommenden Jahrzehnten ein großartiges Wunder sein.” Es ist klar, dass das “Wunder” nicht für das palästinensische Volk gilt, sondern für Kapitalisten, die sich mit dem Wiederaufbau und Investitionen eine goldene Nase verdienen. Natürlich ist das Ende des Genozids und der mögliche Wiederaufbau von Häusern und Infrastruktur für die Bevölkerung in Gaza mehrheitlich eine Erleichterung. Dass dem jedoch eine genozidale Zerstörung vorausgehen musste zeigt die gesamte Rücksichtslosigkeit der Imperialisten.
An Netanjahu gerichtet spricht Trump davon, dass dieser “Großartiges” geleistet hat. Weiter sagte er: “Ich möchte Premierminister Netanjahu danken, der außergewöhnlichen Patriotismus und Mut zeigte. Es war nicht einfach, mit diesem Prozess umzugehen, und er hat es großartig gemacht. Vielen Dank, Bibi, Sie haben einen tollen Job gemacht. Wir treten in ein goldenes Zeitalter für die Vereinigten Staaten und Israel.” Er richtet sich an jenen Mann und sein rechtsradikles, zionistisches Regime, die in zwei Jahren einen Völkermord an fast 70.000 Menschen zu verantworten haben. Aber das verwundert nicht, immerhin haben die USA diesen Krieg mit Rüstung und Waffen in Millionenhöhe finanziert und unterstützt. Und so sprach Trump weiter, dass “Israel alles gewonnen hat, was es mit Waffengewalt gewinnen konnte.” Tatsächlich geht Israel mit seinen Verbündeten als Sieger aus diesem Krieg. Die Netanjahu-Regierung hat den Spieß umgedreht und der Hamas den Druck aufgelastet, dem 20-Punkte-Plan zuzustimmen. Sie haben jegliche Verantwortung für ihre Kriegsverbrechen abgegeben. Außerdem muss er mit seinem einflussreichen Partner, den USA, keine Strafverfolgung fürchten. Stattdessen heißt es von Trump bezüglich der Korruptionsvorwürfe gegenüber Benjamin Netanjahu: “Zigarren und etwas Champagner – wen kümmert das schon?“ Netanjahu hatte von Unternehmern teure Geschenke im Wert von einer Viertelmillion Euro angenommen.
Protest in der Knesset
Während der Rede Trumps protestieren die Politiker der fortschrittlichen Chadasch-Partei, Ofer Cassif und Ayman Odeh. Später postete Odeh auf seinem Social-Media-Account: “Wahrer Frieden, der beide Länder vor der Zerstörung bewahren kann, wird nur möglich sein, wenn die Besatzung und das Apartheid-System beendet werden und ein palästinensischer Staat neben Israel entsteht. Verweigert euch der Invasion! Leistet Widerstand gegen die blutige Regierung!“ Er spricht das an, was der 20-Punkte-Plan nicht mit einem Wort erwähnt, nämlich das Apartheidsregime Israels, das die Palästinenser strukturell diskriminiert und ausbeutet. Er verurteilt die Besatzungspolitik, die vor allem im Westjordanland aggressiv vorangetrieben wird, und die auch im Gazastreifen nicht ausgeschlossen ist. Bisher hat sich die IDF nur auf eine “gelbe Linie” zurückgezogen. Solange die Palästinenser nicht über ihre eigene Zukunft entscheiden können, sich alle fremden Mächte zurückziehen, die Besatzungspolitik und das Apardheitsregime enden, kann es kein freies Palästina und keinen anhaltenden Frieden geben.
Friedensgipfel von Sharm el-Sheikh
Auf dem sogenannten Friedensgipfel sind 20 große Regierungschefs und Kapitalvertreter auf Einladung des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi zusammengekommen. Auffällig ist, dass sowohl die Hamas als auch Israel nicht anwesend waren. Auch die deutsche Regierung wurde zu der Zeremonie, die die Einflussnahme fremder Mächte im Gazastreifen zementierte, eingeladen und war vor Ort. Zudem waren unter anderem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der britische Premier Keir Starmer, Italiens Regierungschefin Giogia Meloni, Spaniens Premier Pedro Sanchez, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, Vertreter der Golfstaaten und Jordaniens König Abdullah II sowie der UN Generalsekretär Guterres und EU-Ratspräsident Costa da. Auf dem Gipfel wurde das Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet, das nach Trump “eine ganze Reihe von Regeln und Bestimmungen” festlegt. Was das Papier genau enthält, bleibt unerwähnt. Bereits in seiner Rede im Knesset macht Trump deutlich, was die Staaten in Ägypten einigt: Sie alle wollen ein Stück vom Kuchen haben, die Region politisch und wirtschaftlich mit kontrollieren. Dafür arbeitet man zur Not auch zusammen. Trump sagte dazu: “Wir haben viel Unterstützung erhalten – auch von Menschen, von denen man das wirklich nicht erwartet hätte. Dafür möchte ich ihnen herzlich danken. Es ist ein großartiger Erfolg für Israel und für die ganze Welt, dass so viele Nationen gemeinsam als Partner für den Frieden zusammenarbeiten.“
Deutschlands Rolle
Auch Kanzler Merz spricht von einem Frieden, der nun erreicht worden sei. Merz bedankte sich in Sharm el Sheikh bei den USA, Ägypten, Katar und der Türkei, dass sie dieses Friedensabkommen in die Wege leiteten und betonte die Absicht Deutschlands, seinen Beitrag für einen dauerhaften Frieden zu leisten. Einen Beitrag zum Frieden leisten heißt, seinen Beitrag zum Wiederaufbau liefern. Die deutsche Entwicklungsministerin dazu: “Deutschland steht für den Wiederaufbau bereit, dazu bin ich auch mit den Partnern anderer Regierungen, insbesondere der EU und den G7-Staaten und internationalen Organisationen wie der Weltbank in Gesprächen.” Dabei ist der Wiederaufbau keine uneigennützige Sache, sondern eine Möglichkeit für privates Kapital, Einfluss in Gaza zu nehmen und Profite zu machen. Radovan dazu: “Ohne privates Kapital wird es nicht gehen. Beim Wiederaufbau von Gaza, Syrien oder der Ukraine sind Summen nötig, die wir aus öffentlichen Haushalten allein nie stemmen können.” In diesem Zusammenhang richten Deutschland und Ägypten eine Wiederaufbau-Konferenz ein, die in den nächsten Wochen stattfinden soll. 81 Prozent der Gebäude sind in Gaza zerstört worden. Das bedeutet, das internationale Finanzkapital hat freies Feld, in den Wiederaufbau dieser Gebäude zu investieren. Dieses freie Feld soll auch politisch umrahmt werden. Wadephul dazu: “Wir brauchen einen rechtlichen Rahmen für all das, was jetzt im Gazastreifen stattfindet.“ Abhilfe soll ein UN-Mandat schaffen. Blick man in die Vergangenheit Palästinas ist das nicht das erste Mal, dass fremde Mächte ein Mandat über Palästina besaßen. Auch Deutschland rückt nicht von Israels Seite und beteuert seine Hilfe mit der Staatsräson: “Deutschland hat eine Vielzahl von Gründen, den Wiederaufbau Gazas mitzugestalten: Migrationspolitisch, sicherheitspolitisch, humanitär. Und nicht zuletzt aus Gründen der Staatsräson.“ Zwar haben deutsche Politiker in den letzten Monaten durch zunehmenden internationalen und nationalen Druck Israel vorsichtig kritisiert, doch wird in Ägypten klar, dass sie nicht von der Staatsräson und der bedingungslosen Unterstützung Israels ablassen. Stattdessen stellte der Kanzler in Aussicht, das Teilembargo für Waffenlieferungen wieder aufzuheben. Israel ist und bleibt nicht nur für Deutschland ein wichtiger Anker, um Einfluss im Nahen Osten zu nehmen, sondern Israel ist auch ein wichtiger Handelspartner Deutschlands. Aus dem Finanzministerium heißt es dazu: “Die deutsche Exportwirtschaft konnte 2024 ihre Position als drittwichtigster Lieferant auf dem israelischen Markt behaupten.”
Sowohl Deutschland als auch die EU fordern einen Platz in dem geplanten Gremium zur Überwachung (Friedensrat). Kaja Kallas, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, äußerte sich wie folgt: “Wir sind in der Tat der Auffassung, dass Europa eine wichtige Rolle zu spielen hat und dass wir Teil davon sein sollten.” Die EU, die zunehmend aggressiver auftritt und neben den USA und China Machtansprüche stellt, um in der Neuaufteilung der Welt mitzuspielen, will durch einen Platz im Friedensrat ihren Einfluss in der Region ausbauen. Dabei benutzt insbesondere Deutschland als drittgrößte Volkswirtschaft die EU als imperialistische Plattform.
Kein Frieden für das palästinensische Volk
Der Friedensplan, der über die Köpfe des palästinensischen Volks hinweg entschieden worden ist, lässt zunächst hoffen, dass das unmittelbare Leid und das Sterben ein Ende nehmen. Dabei darf auch keinesfalls der internationale Druck durch Massenproteste und Generalstreiks außer Acht gelassen werden, die den Entscheidungsspielraum für Washington und Tel Aviv einschränkten und die Imperialisten in Bedrängnis brachten, eine gesichtswahrende Lösung zu finden. Das bedeutet aber nicht, dass sie den Frieden gebracht haben, im Gegenteil: Es beweist die Rücksichtslosigkeit. Washington kann vom Genozid zur Riviera springen und sich gleichzeitig noch als Friedensbringer feiern. Wenn es einen Friedensbringer gab, dann war es die internationale Solidarität!
Es kann jedoch keinen wirklichen Frieden ohne einen eigenständigen, freien palästinensischen Staat geben. Erst wenn sich alle fremden Mächte zurückziehen und nicht aufgrund geopolitischer und wirtschaftlicher Interessen über das palästinensische Volk verwalten, können die Palästinenser ihren eigenen Weg einschlagen und sich befreien. Der jetzige Friedensplan sieht vorerst Frieden und Stabilität für Israel und seine Verbündeten vor, um die Region zu kontrollieren. Wir stehen an der Seite des palästinensischen Volks, halten das Selbstbestimmungsrecht der Völker hoch und fordern alle fremden Mächte auf, sich aus der Region zurückzuziehen.