Michel Barnier, François Bayrou, Sébastien Lecornu… Es ist schwer, die Ereignisse in Frankreich zu verfolgen, denn es scheint, als würden wöchentlich neue Premierminister ernannt. Doch diese Entwicklungen sind kein Zufall, sondern das Ergebnis jahrelanger arbeiterfeindlicher Politik, die sich die Bevölkerung nicht länger bieten lassen!
Heute stellte Lecornu erneuert sein Regierungsprogramm sowie den Vorschlag für den Haushaltsplan 2026 vor. Schon jetzt ist klar: Es geht wieder um einen Haushalt, der die Reichen entlastet auf Kosten der Arbeiterklasse. Bevor der Vorschlag überhaupt verkündet wurde, reichten die Parteien LFI (La France Insoumise von Jean-Luc Mélenchon) und RN (Rassemblement National von Marine Le Pen) Misstrauensanträge ein. Diese könnten in den kommenden Tagen zu einem erzwungenen Kabinetts-Rücktritt führen. Damit hängt das Überleben von Lecornus Regierung von den Bedingungen der PS (Parti Socialiste) ab, die mit ihren 69 Abgeordneten den Unterschied von 24 Stimmen zu einer Mehrheit ausmacht. Die PS fordert die Aussetzung der Rentenreform von 2023, den Verzicht auf Artikel 49.3 und eine „Lockerung des finanziellen Kurses“. Scheitert die Regierungsbildung erneuert, hoffen rechte Parteien auf Neuwahlen und die Bildung einer radikaleren rechtsgerichteten Regierung.
Die Rentenreform war 2023 mit Artikel 49.3 durchgesetzt worden, obwohl das Parlament dagegen gestimmt hatte. Die erzwungene Einführung wirkte wie ein Funke und löste monatelang massive Proteste aus, die bis heute die Regierung in eine tiefe Krise stürzte. Trotz des Wahlsieges der Nouveau Front Populaire ernannte Macron eine rechte Minderheitsregierung, die bereits nach wenigen Monaten das Vertrauen verlor. Selbst in Macrons eigener Partei stößt seine Politik auf Widerstand, denn sie offenbart, wessen Interessen der Staat vertritt. Bayrous Sparplan stellte starke Angriffe auf die Arbeiterklasse dar: Feiertage sollten gestrichen, das Militärbudget erhöht und soziale Ausgaben um 44 Milliarden gekürzt werden. Seine Regierung scheiterte schließlich im September an einem Misstrauensvotum. Lecornu übernahm kurz darauf die Regierung, löste sie jedoch nach nur 14 Stunden wieder auf. Die Pläne und Minister entsprachen weitegehend denen von Bayrou. Nach dem Abdanken Lecornus wurde dieser von Macron wieder zum Premierminister ernannt. Nun verkündete Lecornu erneuert sein Programm, doch wieder einmal schützen seine Pläne die Arbeitgeber und lasten die Krise auf die Arbeiter ab. Die Staatsschulden sollen reduziert werden und dafür die Staatsausgaben gesenkt werden. Während in den Gesundheits- und Sozialausgaben radikal gekürzt werden soll, wird das Militärbudget erhöht. Die Reichsten werden geschont, da Aktien und produktives Kapital von Steuern ausgenommen sind. Symbolisch wird lediglich das Finanzvermögen von Familienholdings stärker besteuert. Da sehen wir wieder einmal, für wen kein Geld mehr da ist und für wen schon.
Diese Entwicklungen zeigen, dass die Demokratie der V. Republik und das Mitbestimmungsrecht der Bevölkerung mit Füßen getreten wird. Die vorübergehende Aussetzungen der Rentenreform und die vermeintliche Besteuerung des Superreichen haben vor allem einen symbolischen Wert. Sie dienen dazu, die wütende Bevölkerung zu beschwichtigen. Die Politik bleibt im Kern unverändert: es ist eine Politik im Interesse der Reichen , während wieder Arbeiter und Jugend die Kosten dafür tragen.
Wir befinden uns in einer Phase des offenen Klassenkampfes, in der die Regierenden nicht mal mehr versuchen, ihre Politik zu verschleiern, sondern offen die Rechte der Arbeiterklasse angreifen.
Trotz prekärer Lebens- und Arbeitsbedingungen lassen sich die Arbeiter und Jugend in Frankreich nicht von der aggressiven staatlichen Repression einschüchtern. Im Gegenteil: Sie tragen ihre Wut über den Sparkurs auf die Straße kämpfen entschlossen für ihre Interessen.
Seit Wochen zeigen sie, dass sie diese Politik nicht länger akzeptieren. Am 10. September folgten Hunderttausende dem Aufruf der Bewegung „Bloquons tout!“ (Blockieren wir alles!). Besonders die Jugend stach hervor: Zahlreiche Schulen wurden blockiert, viele Organisationen und Gewerkschaften schlossen sich an. Besonders die Jugend leidet unter der Sparpolitik durch niedrige Löhne, die Armut und prekäre Lebensbedingungen und steht zugleich an der Spitze der Bewegung. Eine Woche später riefen alle großen Gewerkschaften zum großen Aktionstag gegen die Sparpolitik auf. Über eine Million Menschen beteiligt sich an Streiks und Demonstrationen in mehr als 700 Städten.
Der Rassemblement National zeigte dabei erneut sein wahres Gesicht: Die Proteste wurden als Chaosquelle diffamiert. Als wären sie keine berechtigte Reaktion auf die arbeiterfeindliche Politik der letzten Jahre. Die zunehmenden sozialen Angriffe und die offene Vertretung der Reichen durch die Regierung haben das Bewusstsein der Bevölkerung geschärft. Die Natur des Staates als Instrument der Kapitalisten wird entlarvt. Die Proteste machen deutlich: Die Arbeiterklasse ist nicht bereit, die Sparpolitik hinzunehmen und setzt Macron zunehmend unter Druck. Dass die Rentenreform vorerst verschoben wurde, liegt allein an dem beharrlichen Kampf der Arbeiter und der Jugend.
Die Bewegung in Frankreich steht nicht isoliert: Weltweit erhebt sich die Jugend. Die Widersprüche des Kapitalismus treten immer deutlicher hervor. Es offenbart sich immer klarer dass der Kapitalismus ein System ist, das der Jugend nichts bieten kann.