Was passiert im Sudan?

Die derzeitigen Gräueltaten in der Dafur-Provinz stellen einen traurigen Höhepunkt einer bereits lange andauernden humanitären Katastrophe im Sudan dar.

Seit knapp 30 Monaten kämpfen zwei bewaffnete Konfliktparteien um die Kontrolle des Sudans und gegen das sudanesische Volk und seine Freiheit. Auf der einen Seite steht das sudanesische Militär (SAF), welches die Weiterführung des 2019 installierten Militärregimes darstellt. Auf der anderen Seite kämpfen die sogenannten Rapid Support Forces (RSP), die eine Zusammenfassung von paramilitärischen Einheiten und der militärische Arm einer seit April 2025 existierenden Konkurrenzregierung sind.

Die Situation im Sudan wird vom International Rescue Committee als aktuell größte humanitäre Katastrophe bezeichnet. Zwischen 25-30 Millionen Menschen sind aktiv von Hunger betroffen, bis zu 15 Millionen Menschen – davon über 11 Millionen im Sudan selbst – sind auf der Flucht. Insbesondere in der seit 2003 durch militärische Konflikte geprägten westlichen Dafur-Provinz kam es in den letzten Tagen zu großen Ausschreitungen in Form von Massakern. Satellitenaufnahmen zufolge wurden Dutzende Leichname in der Stadt Al-Faschir gefunden, die auf die Gräueltaten der RSF-Miliz hinweisen. Rund 65.000 Menschen konnten die Stadt noch verlassen. Die RSF kontrolliert damit die fünf größten Städte der Dafur-Provinz.

Parallel zur Entwicklung in Dafur sind auch weitere Kämpfe zwischen den bewaffneten Kräften in der zentralen Kordofan-Region entbrannt. Bis zu 37.000 Menschen sind laut der Internationalen Organisation für Migration zuletzt aus der Region zwischen Dafur und der sudanesischen Hauptstadt Khartum geflohen.

Eine Geschichte der Gewalt

Die Massaker in Dafur häufen sich zu genozidalen Entwicklungen. Diese Wirklichkeit zeigt sich nicht zum ersten Mal in der Geschichte des Sudans. Bereits im Jahr 2003 ereignete sich in Dafur der erste Genozid des 21. Jahrhunderts. Die sogenannten Dschandschawid-Milizen massakrierten innerhalb von fünf Jahren bis zu 300.000 Menschen in der Provinz. Genau genommen ereignet sich ein bereits seit der Gründung 1956 dauerhafter Zustand der Gewalt, geprägt durch Bürgerkrieg, Vertreibung und Völkermord. Die aktuellen Massaker an der Zivilbevölkerung stellen eher eine Kontinuität der Gewalt dar, die deshalb umso schwerer wiegt, da sie endlos scheint.

Was häufig vergessen wird, ist der Umstand, dass der Militärherrschaft demokratische und revolutionäre Proteste vorangegangen waren. Die Forderung nach dem Rücktritt des damaligen Präsidenten Al-Baschirs begrenzte sich nicht auf seine Person. Die Proteste waren Ausdruck einer tiefen Krise des Sudans und eine entscheidende Phase, die Stoßrichtung seiner zukünftigen Jahre zu bestimmen. Um diesem Volksbegehren ein jähes Ende zu bereiten, wurde Al-Baschir gestürzt und eine Militärdiktatur errichtet, die anstelle des bisherigen Instruments zur Bekämpfung der Volksaufstände herhalten musste. Ein weiterer Putsch folgte im Jahr 2021, der einen erneuten Anlauf der inneren Demokratisierung des Sudans verhindern sollte.

Die RSF gingen unter anderem aus den bereits erwähnten Dschandschawid-Milizen hervor, die in den 1980er zur Unterdrückung der südsudanesischen Befreiungsbewegung genutzt wurden. Der damalige sudanesische Präsident Nimeiri nutzte anstelle der Armee die Milizen für den Kampf gegen die sudanesische Volksbefreiungsarmee, SPLA. Seit 2015 unterstand die RSF dem damaligen Diktator Al-Baschir. Und 2017 wurden die Milizen sogar in die regulären Einheiten per RSF-Gesetz integriert. Doch weder der heutige De-Facto Herrscher General Burhan noch sein Unterstellter Hemedti, der wiederum die RSF kontrolliert, konnten sich auf einen gemeinsamen Weg einigen und so wurde aus einem damaligen Werkzeug der sudanesischen Zentralregierung der militärische Arm eines konkurrierenden Machtzentrums.

Verschiedene Mächte mischen mit

Die EU nutzt die Dienste der RSF unter anderem, um Flüchtlingsströme Richtung Norden und Libyen zu kontrollieren und zu drosseln. Die RSF fungiert an den sudanesischen Grenzen als Grenzschutz und handelt selbst mit Flüchtlingen. Die Unterstützung und Mittäterschaft der EU lassen sich oft nur indirekt nachvollziehen. So finanziert das von der EU und Deutschland eingerichtete Better Migration Management Program die Grenzkontrolle zu Libyen und Ägypten, für die die RSF beauftragt wurde.

Insbesondere die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) unterstützen die RSF mit Waffen. Im Gegenzug zahlt die Miliz ihre Waffen mit Goldexporten, einem Metall, welches besonders häufig im Sudan vorkommt. Die RSF ist also eine durch die VAE kontrollierte und für ihre eigenen Zwecke eingesetzte Miliz. Im Krieg in Libyen kämpft die RSF an der Seite von Machthaber Haftar, der wiederum durch die VAE unterstützt wird. Gleichzeitig wird die konkurrierende SAF durch die Türkei, Russland, aber auch den Iran unterstützt. Ironischerweise standen die russischen Wagner-Truppen zeitweise auf Seiten der RSF, so dass Russland damit beide nationalen Konfliktparteien unterstütze. Die Türkei unterstützt in Libyen wiederum die mit Haftar konkurrierende Übergangsregierung.

Die Besonderheit an der Geschichte des Sudans ist der Umstand, in vielen Provinzen ungelöste national-ethnische Konflikte zu haben, die weit in die Vergangenheit reichen, bei gleichzeitiger ständiger Abhängigkeit von ausländischen Mächten. In den letzten zwei Jahrhunderten haben insbesondere erst das Osmanische Reich und schließlich das britische Empire den Sudan kontrolliert. Die Sezession des Südsudans im Jahr 2011 nach jahrelangen nationalen Konflikten war ein entscheidender Höhepunkt in der weiteren Entwicklung des Sudan. Das hauptsächlich in Südsudan geförderte Erdöl führte zum plötzlichen Rückgang von Erlösen durch den Erdölexport. Die Spannungen zwischen dem Sudan und Südsudan eskalierten, als der Sudan Anteile von den Erlösen forderte. Für beide Staaten bedeutete dies Anstieg der Armut.

Den Völkern im Sudan wird keine freie Entwicklung zugesprochen. Dabei ist das Land gemessen an seinen Bodenschätzen das viertreichste Land des afrikanischen Kontinents. Der Sudan kann sich nicht eigenständig entwickeln, sondern muss als Rohstoffexporteur für das Ausland hinhalten. Eine eigenständige industrielle Entwicklung, die das Land aus der Armut befreien könnte, wird dem Sudan nicht gewährt. Es bleibt ein armes Land, weil es so reich an Schätzen ist.

Trotzdem setzt sich der Kampf der demokratischen Kräfte und Völker des Sudans fort. Die regionalen Mächte der Region, von der Türkei bis zur VAE, aber auch die imperialistischen Länder, haben kein Interesse an einer Demokratisierung des Sudan. Würden die Völker und demokratischen Kräfte des Sudan ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und damit die Abhängigkeit vom Ausland verringern, könnten die äußeren Mächte an der Ausbeutung und Plünderung des sudanesischen Bodens nicht mehr verdienen. Die internationale Solidarität gilt den Völkern des Sudan, ihrem Kampf für Befreiung und Demokratie.