Teile und herrsche

Merz Stadtbild-Debatte ist nicht neu. Wann immer es Krisen gab, viele Menschen unzufrieden waren, wurde zum Mittel der Spaltung und Hetze gegriffen.

Als Ende der 80er und Anfang der 90er nach dem Anschluss der DDR viele Menschen ihre Arbeit verloren und verarmten, die Unzufriedenheit rasch anstieg, da titelte „BILD“:

„Asylanten jetzt auf Schulhöfe – Neue Welle! Und bis Weihnachten kommen noch 40.000.“
„Wohnraum beschlagnahmt. Familie muss Asylanten aufnehmen.“

Als 1992 die Stürmung eines Flüchtlingswohnheimes in Rostock-Lichtenhagen, der Brandanschlag von Mölln mit drei Todesopfern und einigen Schwerverletzten sowie viele weitere Anschläge und Mordaktionen folgten, wirkte der gesäte Hass. Statt sich gegen die Verursacher der Arbeitslosigkeit, des Kahlschlages zu wehren, präsentierte man den Menschen einen „Feind“. Die CDU/CSU führte ihre Wahlkämpfe nicht gegen diese Mordanschläge, sondern gegen die „Ausländer“, die „Asylanten“. Martin Hohmann, Nachfolger von Alfred Dregger im Deutschen Bundestag, Ostpreuße, Ex-BKA-Beamter und Fallschirmjäger forderte: „Befreit euch endlich von dem aberwitzigen Schuldwahn. Erkennt doch, daß wir Deutsche in diesem Jahrhundert mindestens ebenso Opfer wie Täter waren.“ Die doppelte Staatsbürgerschaft erklärte er zum Untergang des deutschen Volkes. „Wenn das klappen würde, wenn wir ihnen das durchgehen lassen, dann wäre das praktisch jetzt am 27. September 98 die letzte freie Wahl in dem Sinne gewesen, daß der Souverän deutsches Volk entschieden hat.“ Und der hessische CDU-Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Irmer: „Ich sage Ihnen ganz offen: Ich habe die große Befürchtung, wenn die Entwicklung in Deutschland so weitergeht, daß wir eines Tages, den wir beide sicherlich erleben werden, möglicherweise, was ich nicht hoffe, aber fürchte, bürgerkriegsähnliche Zustände bekommen, weil es um Verteilungskämpfe geht.“ In NRW führte Jürgen Rüttgers den Wahlkampf mit der Parole „Kinder statt Inder!“

Natürlich hätte er auch mehr Kinderkrippen und Kindergärten, bessere Schulen, Jugendhäuser fordern können. Doch das hätte Geld gekostet. Die Parole „Kinder statt Inder!“ war kostenlos und lenkte die Unzufriedenheit und Wut weg von den Verantwortlichen.

Auch bei der Rente gibt es eine lange Tradition, alt gegen jung auszuspielen. Mal war die Jugend zu faul, mal bekamen die Rentner zu viel. So wurde beispielsweise 1992 nach vorhergegangener Kampagne eine „Rentenreform“ beschlossen: Rentenerhöhungen werden seither nur noch nach dem Nettolohn berechnet. Da die Beiträge aber vom Bruttolohn abgezogen werden, bedeutet das eine mit den Jahren fortschreitende Senkung der Renten und einen Betrug an den Beitragszahlern. Gleichzeitig wurde die Altersgrenze erhöht und Rentenabschläge eingeführt. 2001 kam es zur Einführung der Riester-Rente, also einer privaten Rentenversicherung, nachdem man zuvor wieder die Renten gekürzt hatte. Das Perverse ist dabei, dass die Riester-Rente trotz staatlicher Förderung weniger Ertrag bringt als eine normale private Rentenversicherung. So ging es schrittweise weiter. „Rentenreformen“ folgten im Abstand von ein, zwei, drei Jahren, insgesamt über 20 seit 1990. Und jedes Mal wurde die Spaltung alt gegen jung ins Spiel gebracht.

Desgleichen wird bei Bürgergeld bzw. Grundsicherung immer wieder Hass und Neid gegen die Betroffenen geschürt. Zwei Jahre haben sie trotz einer Inflation 2023 und 2024 von über 8 % keine Erhöhung erhalten. Regelmäßig wird über die faulen Empfänger der Grundsicherung berichtet, dabei sind von den 5,4 Millionen Bürgergeldempfängern unter 3 % sogenannte Totalverweigerer. Das 1,4 Millionen nicht erwerbsfähig sind, weil es sich zumeist um Kinder handelt und 2,2 Millionen Kinder betreuen, Angehörige pflegen oder selbst krank sind, fällt unter den Tisch.

Es hat also eine lange Tradition, Hass und Spaltung zu verbreiten, um die Menschen gegeneinander zu hetzen, statt dass sie sich vereint gegen die wenden, die ihnen das Leben immer schwerer machen.

Bewährtes Mittel: Spalte und herrsche!

So ist es auch jetzt! Die Regierung fährt gerade die schlimmsten Angriffe auf Sozialleistungen, Renten, Arbeitsbedingungen und Bildung. Die Kommunen bekommen immer mehr Aufgaben und gleichzeitig immer weniger Geld. Das größte Aufrüstungsprogramm läuft zu Lasten der Sozialausgaben, der Bildung usw. Die Unzufriedenheit mit der CDU/CSU-SPD-Koalition steigt.

Und genau in diesem Moment tritt Bundeskanzler Friedrich Merz die Stadtbild-Debatte los, die in Wirklichkeit eine Spaltungsdebatte ist. Das Motto: „Die Ausländer sind schuld!“. Die Asylgesetze werden zum soundsovielten Mal verschärft. Und damit die Hetze und Spaltung auch wirklich wirkt, wird auch gegen die Bürgergeldempfänger gehetzt. Selbstverständlich kosten auch die Rentner „zu viel“. Je mehr Hetze und Spaltung, desto besser für die Herrschenden.

Niemand hätte etwas dagegen, wenn die Koalition das „Stadtbild“ verbessern würde. Sie könnte ausreichend Wohnraum schaffen und Obdachlose von der Straße holen. Sie könnte soziale und kulturelle Angebote für Kinder und Jugendliche fördern, damit diese nicht perspektivlos herumhängen. Sie könnte marode Schulen sanieren oder mehr Jugendhäuser zur Verfügung stellen. Doch all das kostet viel Geld. Hetze und Spaltung kosten nichts. Und das Geld gibt die Regierung für Subventionen an die Industrie (wie Strompreis) und für Rüstung für höhere Profite der Rüstungsmonopole aus. Statt das Stadtbild zu verbessern, wird überall gekürzt – außer bei der Rüstung.

Unsere Antwort: Gemeinsam sind wir stark!

Angesichts der weltweiten Entwicklung, der zunehmenden Konkurrenz zwischen den Großmächten, dem Kampf um Märkte und Rohstoffe und der zunehmenden Kriegsgefahr will das deutsche Kapital und seine Regierung in diesem Kampf mithalten. Deshalb kürzen sie im Sozialen! Deshalb rüsten sie auf. Sie wollen im internationalen Kampf um die Aufteilung der Welt stark sein und mitspielen können. Daher haben sie auch immer weniger Spielraum für Soziales. Sie müssen weiter kürzen und sparen – natürlich nur bei der Arbeiterklasse und dem Volk. Um diesen Weg ungestört gehen zu können, werden sie weiterhin auf ihr bewährtes Mittel setzen: Hass und Spaltung! Die Entwicklung nach rechts wird von ihnen weiter vorangetrieben werden.

Unsere Antwort ist klar: Statt Rentner gegen Jugend, statt Migranten gegen Einheimische, statt Arbeitslose gegen Arbeitende brauchen wir die Einheit aller arbeitenden Menschen, der Jugend, des Volkes. Spaltung und Hetze schwächen uns. Gemeinsamer Kampf hingegen macht stark! Es ist völlig klar, dass die Herrschenden das fürchten. Denn dann sind sie als die Verantwortlichen dran.